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Der Umfaller

Kanzlerkandidat Edmund Stoiber wollte Anfang der Woche für soziale Gerechtigkeit sorgen und auch die Industrie am Flutopfer beteiligen. Das will er seit gestern doch nicht mehr. Dafür hat Bundeskanzler Schröder die Idee übernommen

BERLIN taz ■ Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) will nun doch nicht die Steuern für die Industrie erhöhen, um die Folgen des Hochwassers zu bewältigen. Bislang hatte Stoiber ein Anheben der Körperschaftsteuer zur Bedingung gemacht – sonst werde die Union dem Rettungsplan der Regierung für die Hochwassergebiete nicht zustimmen. „Ich halte es für dringend erforderlich, dass die Kapitalgesellschaften, die bisher von der Bundesregierung einseitig entlastet worden sind, ihren Beitrag zum Wiederaufbau leisten“, sagte der bayerische Ministerpräsident an diesem Montag. Noch vorgestern hatte die Union ihr Verlangen nach einer Erhöhung der Körperschaftsteuer wiederholt.

Davon ist nun keine Rede mehr. Gestern erklärte Stoiber, eine Erhöhung der Körperschaftsteuer sei nicht opportun. Er begründete das damit, eine Erhöhung passe nicht in die konjunkturelle Landschaft.

Stattdessen will jetzt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) der Großindustrie ans Eingemachte. Schröder kündigte gestern an, die Bundesregierung werde das Angebot der Wirtschaft, den Körperschaftsteuersatz für ein Jahr auf 26,5 Prozent zu erhöhen, aufnehmen. Derzeit beträgt der Satz 25 Prozent.

Die Bundesregierung hatte sich gegenüber Stoibers nun zurückgezogenen Wünschen aufgeschlossen gezeigt. Auch die Industrie wollte nicht abseits stehen. Prompt bedankte sich nun der Bundeskanzler beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für das „sehr solidarische Angebot“. Er wolle dies daher in den Gesetzgebungsprozess aufnehmen, unabhängig von der Haltung der Union.

Die Bundesregierung hatte zuvor vorgeschlagen, die für 2003 geplante zweite Stufe der Einkommensteuerreform um ein Jahr zu verschieben. Das würde rund 7 Milliarden Euro einbringen.

Die CDU/CSU lehnt die Pläne der Bundesregierung zwar strikt ab, will sie aber andererseits im Bundesrat nicht blockieren. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren soll schon Ende kommender Woche abgeschlossen sein. Im Bundesrat will die Union den rot-grünen Plänen gar zustimmen – eine Enthaltung würde zum Scheitern des Vorhabens führen.

Als Alternative empfiehlt die Union seit gestern die Finanzierung des Hochwasser-Notopfers durch die Gewinne der Bundesbank. Unter der Union werde es 2003 Steuersenkungen geben, versprach Stoiber: „Dafür stehe ich auch persönlich ein.“ Die rund 7,7 Milliarden Euro aus den Gewinnen der Bundesbank dienen derzeit der Tilgung des Erblastenfonds. Umsetzen will die Union ihre Vorstellungen aber erst nach einer gewonnenen Bundestagswahl.

Bundesfinanzminister Eichel lehnte die Unions-Vorstellungen strikt ab. Dies sei ein „völlig unsolider und unseriöser Vorschlag“, sagte Eichel. Damit würde sich der Schuldendienst des Bundes ab 2003 um 400 Millionen Euro jährlich erhöhen.

Die Union hat sich mit ihren neuen Vorschlägen der FDP angenähert. Die Liberalen lehnen eine Verschiebung der Steuerreform rundweg ab – allerdings schon seit Beginn der Diskussion. Ein Aufschieben von Steuerentlastungen sei der „völlig falsche Weg zur Finanzierung der Hochwasserkatastrophe“, sagte FPD-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt. Die FDP schlägt stattdessen vor, das Flut-Geld aus dem Bundeshaushalt zu holen. Das Budget habe ein Volumen von 247 Milliarden Euro, da ließen sich gewiss 10 Milliarden Euro mobilisieren – zum Beispiel durch eine pauschale Kürzung aller Subventionen um 10 Prozent und Einsparungen in den Etats. Die FDP fordert daher: „Bundesfinanzminister Eichel muss einen Nachtragshaushalt 2002 vorlegen. Das ist jetzt seine aktuelle Aufgabe.“ Ruth Wagner, FDP-Wissenschaftsministerin in Hessen, erklärte, die FDP wolle in den Ländern, in denen sie an der Regierung beteiligt ist, dafür sorgen, dass die Pläne der Bundesregierung zu einer Verschiebung der Steuerreform abgelehnt werden.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus F. Zimmermann, sagte im taz-Interview, er rechne wegen der Verschiebung der Steuerreform nicht mit konjunkturellen Einbrüchen. Im Gegenteil werde die Flutwasserhilfe einen kleinen Konjunkturschub bewirken. CIF/KLH

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