: Zu viel Wasser von oben und unten
Vorläufige Bilanz der Ernteausfälle: Das Hochwasser kostet die Bauern 267 Millionen Euro. Insgesamt erwartet der Bauernverband nach dem zusätzlich auch noch verregneten Sommer 2002 ein Minus von 2,5 Milliarden Euro
von IHNO GOLDENSTEIN
Das Hochwasser an Elbe, Mulde und Donau hat zu Ernteausfällen und Verlusten in der Viehwirtschaft in Höhe von insgesamt 267 Millionen Euro geführt. Diese Schätzung gab Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) im Rahmen ihrer älljährlichen Erntebilanz gestern in Berlin bekannt. Die Schäden an Betriebsgebäuden und Maschinen der betroffenen Landwirte seien dagegen noch nicht zu beziffern, erklärte Künast.
Die von ihr genannte Zahl übertrifft die bisherigen Schätzungen der Länderbehörden. Am stärksten betroffen ist erwartungsgemäß der Freistaat Sachsen. Laut Agrarminister Steffen Flath (CDU) beträgt der Schaden hier mindestens 125 Millionen Euro. 1.900 Betriebe wurden von der Flut in Mitleidenschaft gezogen. Allerdings dürfte die Schadenshöhe in Sachsen noch deutlich steigen, da bisher nur für rund die Hälfte der Höfe die genaue Summe ermittelt wurde.
Sachsen-Anhalts Fachministerin Petra Wernecke (CDU) bezifferte die Flutkosten im Agrarsektor in ihrem Land mit 50 Millionen Euro. Brandenburgs Bauern haben nach Erkenntnissen des Potsdamer Landwirtschaftsministeriums Schäden in Höhe von 32 Millionen Euro zu verkraften. In Bayern hat die Flut nach Aussage von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in der Landwirtschaft einen Gesamtschaden von 20 Millionen Euro angerichtet. 12 Millionen davon entfallen auf überflutete Flächen und vernichtete Ernten. Die mecklenburgischen Bauern sind immerhin noch mit 13 Millionen betroffen. Insgesamt wurden rund 220.000 Hektar Grün- und Ackerland überflutet.
Bundesministerin Künast kündigte 141 Millionen Euro Soforthilfe für dieses Jahr an. 60 Prozent davon sollen nach Sachsen fließen. Die Kosten sollen sich Bund, Länder und die EU teilen. Kritik am Verteilungsschlüssel kommt weiterhin von der Magdeburger Ministerin Wernecke. Sachsen-Anhalt soll für existenzbedrohte Höfe zwei Millionen Euro Soforthilfe erhalten, dazu aber die gleiche Summe beisteuern. „Das ist für die neuen Länder nicht leistbar“, so Wernecke. Sie fordert eine Erhöhung des Bundesanteils.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte die von Künast angekündigten Hilfen als unzureichend. Das Programm müsse „unverzüglich so aufgestockt werden, dass wenigstens 50 Prozent des eingetretenen betrieblichen Schadens abgedeckt werden kann“, so der DBV.
Viel stärker als durch das Hochwasser wurde die deutsche Landwirtschaft aber durch das wechselnde Wetter und ständige Niederschläge in diesem Sommer betroffen. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sieht allein bei der Getreideernte in Deutschland ein Minus von 1,5 Milliarden Euro. 2002 wurde 13 Prozent weniger Getreide als im Vorjahr geerntet. „Kein Mensch kann mit der Ernte 2002 zufrieden sein“, betonte gestern auch Künast.
Nach Angaben Sonnleitners müssen die deutschen Bauern zusätzlich beim Obst- und Gemüseanbau, auf Feldern und an landwirtschaftlichen Gebäuden Schäden von einer weiteren Milliarde Euro verkraften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen