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Engagement im Hinterzimmer

Der Einfluss von NGOs beim Gipfel in Johannesburg ist gering. Die großen Organisationen wie Greenpeace haben sich auf direkte Lobbyarbeit verlegt

aus JohannesburgBERNHARD PÖTTER

Durch die zugigen Hallen des Nasrec-Geländes am Rande von Johannesburg weht ein kalter Wind. Im „Mandela Room“ von der Größe einer Bahnhofshalle stehen Hunderte von Stühlen leer, nur eine kleine Gruppe hat sich vor einem Diskussionstisch versammelt. Dutzende von freiwilligen Helfern stehen sich die Beine in den Bauch, in den Bussen nach Nasrec sind fast immer noch ein paar Plätze frei.

Das Global People’s Forum neben dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg lebt. Aber es pulsiert nicht. „Bisher haben sich etwa 15.000 Leute bei uns angemeldet. Es kommen immer noch welche, aber die erwartete Zahl von 40.000 werden wir nicht erreichen“, sagt Maureen Forbes. Sie leitet das Anmeldungsbüro des Global People’s Forum, wo sich die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zum Gegengipfel treffen. Der mindestens so werden sollte, wie das „Global Forum“ beim UN-Gipfel von Rio de Janeiro, wo sich die Entwicklungsgruppen, Ökofreaks, Umweltlobbyisten und Selbsthilfeinitiativen aus der ganzen Welt trafen, um ihre Visionen einer besseren Welt zu formulieren.

Auch auf dem Forum in Johannesburg treffen sich die Engagierten zum Austausch, zum Kennenlernen und Diskutieren. Die Böll-Stiftung verbreitet erfolgreich und vor großem Publikum ihr „Johannesburg-Memorandum“, das Wege zu einer fairen Weltwirtschaft und zum Umweltschutz vorzeichnet. Aber direkten Druck übt das Treffen kaum aus – obwohl der Gipfel ausdrücklich die „Stärkung der Zivilgesellschaft“ fordert.

Denn die politische Arbeit der NGOs hat sich inzwischen aufgeteilt: Es gibt die Landlosen und Globalisierungskritiker, die sich ihr Recht auf laute und spontane Demonstrationen in Johannesburg erkämpfen wollen. Und andererseits die professionellen Umwelt- und Entwicklungsgruppen, die vor allem aus den Staaten des Nordens kommen und ihre Interessen auf den Fluren und in den Hinterzimmern des Tagungszentrums von Sandton vorantreiben. Diese Regenbogenkrieger in Nadelstreifen halten engen Kontakt zu den Unterhändlern und zu den Journalisten, sind teilweise sogar Mitglieder der Delegationen. Sehr zum Unwillen der Beamten veröffentlichen sie auch mal das eine oder andere interne Papier.

Doch sie fehlen auf dem Global People’s Forum: die mächtigen Global Players der Zivilgesellschaft wie Friends of the Earth, Greenpeace und WWF. Sie haben ihre Büros und ihr Personal in Sandton bei den UN-Verhandlungen – eine Entscheidung für die direkte Lobbyarbeit. „Auch eine große Demonstration vor dem Kongresszentrum würde die Beamten nicht beeindrucken, die hier verhandeln“, rechtfertigt sich Jürgen Maier vom deutschen Forum für Umwelt und Entwicklung, der auch Mitglied der deutschen Delegation ist. „Die reagieren nur auf Anweisung. Nämlich dann, wenn es zu Hause Druck auf die jeweiligen Regierungen gibt.“

Die Zeiten von Rio sind vorbei, findet auch Barbara Unmüßig von der Böll-Stiftung, die vor zehn Jahren die Arbeit der deutschen NGOs koordinierte. Politik und Wirtschaft hätten inzwischen gelernt, dass man den NGOs nicht so freies Spiel wie in Rio lassen dürfe, und betrieben jetzt eine intensive Lobbyarbeit. „Die Zivilgesellschaft hier in Johannesburg ist schwächer vertreten als in Rio“, sagt Unmüßig.

Diese Schwäche kommt trotz der Professionalisierung der einen und dem bunten Aktionismus der anderen Seite nicht ganz zufällig. Die südafrikanische Regierung hat schon bei der Vorbereitung des Gipfeltreffens dafür gesorgt, die kritische Masse der NGOs so klein wie möglich zu halten. So liegt Nasrec eine halbe Stunde Busfahrt vom Tagungszentrum entfernt. Andere Veranstaltungsorte wie Ubuntu Village mit den Länderpavillons, der „Water Dome“ zur Wasserpolitik oder die Universität sind über die gesamte Stadt verstreut. Auch technische und finanzielle Probleme sorgten während der Vorbereitung für viel Ärger bei den NGOs. Mit Unterstützung der Regierung und gegen den Widerstand vieler NGOs übernahm schließlich die südafrikanische Gewerkschaft Cosatu den Vorbereitungsprozess – worauf sich internationale Gruppen wegen zu großer Regierungsnähe abwandten. Hohe Mieten in Nasrec vertrieben weitere Gruppen.

Für den größten Ärger sorgten allerdings die fehlenden Pässe für NGO-Aktivisten, ohne die ein Betreten der Konferenzräume nicht möglich ist. Bei der Eröffnungszeremonie des Gipfels sollen nach Informationen der Gipfelzeitung Summit Star 8.000 Menschen nicht in den Saal gekommen sein. Bei den Gruppen, die von überall und teilweise unter großen finanziellen Opfern nach Johannesburg gekommen sind, steigt daher der Frust. Jan Gustav Strandenaes von der Organisation Anped, die die Teilnahme von NGOs bei UN-Konferenzen organisiert, versteht nicht, warum die UN 11.000 UN-Delegierte und 12.000 NGO-Delegierte eingeladen hat, wenn für sie kein Platz ist. „Die Verhandler entscheiden über Dinge, die das Leben aller Menschen betreffen“, empört sich Strandenaes. „Aber die Zivilgesellschaft hat dabei keine Stimme, wegen der Brandschutzbestimmungen.“

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