: Stoiber hört die Signale
Kanzlerkandidat kommt der Mehrheit der Deutschen entgegen und will Alleingang der USA im Krieg gegen Irak nicht unterstützen
BERLIN taz ■ Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber erprobt jetzt in der Außenpolitik, was er in der Innenpolitik schon leidlich erfolgreich praktiziert: Er will es allen Seiten recht machen. In der Debatte um einen amerikanischen Angriff auf den Irak übte Stoiber gestern erstmals Kritik an den USA – ließ aber gleichzeitig die Möglichkeit einer deutschen Beteiligung an einem Militärschlag offen.
Damit kommt er einerseits einer deutschen Öffentlichkeit entgegen, die in ihrer großen Mehrheit einen Irak-Krieg ablehnt, folgt aber andererseits dem Wunsch seiner Außenpolitiker, den Ruf der Union als treuestem Verbündeten der USA nicht zu gefährden. Wohl um diesen nicht ganz einfachen Gedankengang zu vermitteln, führte Stoiber vor seinem Auftritt ein „freundschaftliches und vertrauensvolles Telefonat“ mit dem US-Botschafter in Berlin.
Nach der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten Cheney vom Vortag müsse er Stellung beziehen, sagte Stoiber: „Das Entscheidungs- und Handlungsmonopol in dieser Frage liegt bei den Vereinten Nationen. Alleingänge eines Landes ohne Konsultation und ohne Mandat der internationalen Staatengemeinschaft sind damit nicht vereinbar.“ Falls es jedoch eine gemeinsame Entscheidung der Staatengemeinschaft gebe, gegen den Irak vorzugehen, so Stoiber in seiner kurzfristig angesetzten Pressekonferenz, „dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Europa von diesen Maßnahmen distanziert“.
Damit folgt Stoiber der Position seines Chef-Außenpolitikers Wolfgang Schäuble, der stets vor einer kategorischen deutschen Ablehnung eines Irak-Kriegs warnte. Schäuble konnte sich offenbar in einer unionsinternen Debatte gegen Stimmen durchsetzen, die das Nein zu einer deutschen Kriegsbeteiligung nicht der rot-grünen Koalition überlassen wollten. So hatte Stoibers wichtigster Statthalter in Berlin, CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, noch vor einer Woche in einer ARD-Sendung die Position von Bundeskanzler Schröder übernommen: „Es besteht bei uns keinerlei Absicht, das kann ich auch für den Kanzlerkandidaten sagen, sich an einem militärischen Abenteuer irgendwo in der Welt zu beteiligen – schon gerade nicht in Irak.“ Auch gestern beharrte Glos darauf, eine Intervention sei „ein unkalkulierbares Risiko“. Selbst ein UN-Mandat sei nur eine „Mindestvoraussetzung“ für einen Militärschlag gegen den Irak, bedeute aber noch lange nicht, dass eine unionsgeführte Regierung deshalb einer deutschen Beteiligung zustimme.
So schwer sich die Union mit einem klaren Kurs in der Frage tut, so freudig wiederholt Gerhard Schröder derzeit seine einfache Ansicht zu einem komplexen Thema: Deutschland werde sich an einer möglichen militärischen Intervention nicht beteiligen, sagte er gestern, „jedenfalls nicht unter meiner Führung“. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zeigte sich davon ungerührt: Die schwindende Unterstützung der Verbündeten ändere nichts an der Entschlossenheit der US-Regierung.
PATRIK SCHWARZ
ausland SEITE 10
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