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Der Streit um die Köpfe

Wenn es um den Islam geht, tut sich der Westen schwer mit seinen eigenen Werten. Wo fängt die Gewissensfreiheit an, wo hört sie auf? So wird das Kopftuch zum Utensil der Ideologie. Auch in Frankreich, wo das Problem eigentlich schon als erledigt galt

von HEIKE HAARHOFF

Der Imam ist ein umsichtiger Mann. Er wisse, sagt er, was Medien anrichten könnten. Deswegen sei die Teilnahme am Religionsunterricht „leider nicht öffentlich“. Seine Schützlinge hingegen dürfe man sich schon einmal anschauen, auf einem Foto. Das zeigt vier Jungen und sieben Mädchen, aufgestellt in zwei Reihen, die Mienen der Jungen sehr feierlich, das Haar der Mädchen verdeckt von langen Stofftüchern. „Sie sind alle zwischen zehn und zwölf“, sagt der Imam. Entstanden ist die Aufnahme im Oktober 2001. Damals eröffnete in Aubervilliers, einem Vorort im Norden von Paris, nach zehn Jahren Gerichtsstreit das erste „Collège Musulman“, die erste weiterführende muslimische Privatschule auf französischem Staatsgebiet, die Islamunterricht im regulären Stundenplan vorsieht. Ihr Name: „La Réussite“, der Erfolg.

Seit hundert Jahren hat der Laizismus, die strikte Trennung von Staat und Kirche, in Frankreich Verfassungsrang. Der Staat fragt nicht nach der Glaubenszugehörigkeit seiner Bürger; Religionsunterricht an öffentlichen Schulen existiert nicht, und eine Diskussion über die Einführung von Islamunterricht wie beispielsweise in Berlin verbietet sich von selbst. Bislang. Denn wenn das Pilotprojekt in Aubervilliers im Wortsinn Schule machen sollte, dann könnte das, was unter dem Stichwort „Kopftuchstreit“ zuletzt in Frankreich weitgehend beigelegt schien, eine Renaissance erfahren: die Debatte um die Frage, wie viel religiöse Symbolik zulässig ist und welcher Ausweg Schülerinnen bleibt, die aus konfessionellen Gründen auf ihr Kopftuch während des Unterrichts nicht verzichten wollen. Eine Frage, die sich nach dem Erfolg der rechtsextremen Front National bei den diesjährigen französischen Präsidentschaftswahlen vielen Muslimen zudem unter einem neuen Blickwinkel stellt.

Der Blick des Imams gleitet zurück auf das Foto. „Wir zwingen niemanden, das Kopftuch zu tragen. Aber wir möchten, dass auch solche Mädchen zur Schule gehen können, die mit dem staatlichen System unausweichlich in Konflikt geraten würden, Mädchen also, die es mit Cherifa Hanifi zu tun bekämen.“ Cherifa Hanifi heißt in Wahrheit Hanifa Cherifi. Er weiß das. Er verdreht ihren Namen absichtlich. Hanifa Cherifi ist bei Frankreichs Muslimen so bekannt wie Eugen Drewermann bei Verfechtern des katholischen Zölibats in Deutschland.

Hanifa Cherifi ist Mitglied des „Haut Conseil de l’Intégration“, des obersten Gremiums zur Integration der in Frankreich lebenden Ausländer, das 1989 unter dem Druck zunehmender Jugendgewalt und Spannungen in der Pariser Banlieue sowie des Aufstiegs der rechtsextremen Front National vom damaligen sozialistischen Innenminister Michel Rocard ins Leben gerufen wurde. Sie ist Koautorin des nationalen Kommissionsberichts „Der Islam in der Republik“. Und sie hat kontinuierlich und seit bald acht Jahren im französischen Erziehungsministerium unter wechselnden Regierungen das Spitzenamt der „nationalen Mediatorin“ inne. Oder, um es mit den Worten ihrer Pressesprecherin auszudrücken: Sie ist „Madame l’Affaire du Foulard“ – Frau Kopftuchstreit.

Auf einer ganzen, nicht eben niedrig dotierten Stelle leistet sich die französische Regierung, ob links oder rechts, seit 1994 eine Frau, deren einzige Aufgabe es ist, immer dann zur Stelle zu sein, wenn es an den Schulen der Republik brennt: als Vermittlerin im Streit um das islamische Kopftuch. Im Interesse der französischen Staatsreligion, des Laizismus, versteht sich.

Hanifa Cherifi, 49, und der Imam, 47, sind fast gleichaltrig. Sie ist algerischer Herkunft, er tunesischer. Sie haben sich nie persönlich über ihre Positionen ausgetauscht. „Cherifa Hanifi“, wiederholt der Imam trotzig. „Ich kann nur hoffen, dass sie das, wofür wir stehen, respektiert.“

Hanifa Cherifi ist anzutreffen in einem winzigen, schmucklosen Büro im fünften Stock des Pariser Bildungsministeriums südlich der Seine. Sie trägt rot gefärbte, schulterlange Haare, eine rechteckige, rote Brille, Perlenohrringe und einen gelben und einen rosa Schal über einem dunkellila Jackett. Alles an ihr wirkt aufgeschlossen und modern. Hanifa Cherifi blickt einen direkt an, wenn sie redet, und was sie redet, scheint wie perfekt auf die Sprache ihres Gegenübers abgestellt. „Das französische Integrationsmodell hat vermutlich wenig mit dem deutschen zu tun, und man mag vieles daran kritisieren können. Aber wir sind davon überzeugt, dass es funktioniert. Es beruht auf der Philosophie, aus Ausländern französische Staatsbürger zu machen, wirkliche, gleichwertige und gleichberechtigte Staatsbürger, mit allen Rechten und Pflichten.“

Sie holt kurz Luft, bevor sie fortfährt: „Wir respektieren ihre Kulturen, aber wir wachen zugleich über ihre Eingliederung in die französische Gesellschaft.“ Sie trinkt einen Schluck Wasser. Es wäre eine Gelegenheit, eine Frage einzuwerfen, nach ihrer Definition von gesellschaftlichem Pluralismus beispielsweise, aber ihre Augen bedeuten mir, dass der Zeitpunkt für Nachfragen noch nicht gekommen sei: „Und diese Gesellschaft lebt in der Tradition, eine laizistische sein zu wollen.“

Ein Wert, der vor allem über die Schule vermittelt wird und vermittelt werden soll: Die zentralistisch organisierte Lehrerausbildung achtet peinlich genau darauf, dass keiner sie verlässt, ohne die republikanischen Werte verinnerlicht zu haben. Und zwar so, als seien sie die einzig wahren. Umso unbeholfener reagierten Lehrer, als mit Beginn der Neunzigerjahre immer mehr Mädchen meist nordafrikanischer Herkunft mit Kopftuch in den Unterricht kamen. Statt des Dialogs suchten viele die Konfrontation. Es kam zu unschönen Szenen, die kein gutes Licht warfen auf die vermeintliche Weltoffenheit der Grande Nation. Lehrer weigerten sich, verschleierte Schülerinnen zu unterrichten, Lehrer demonstrierten gegen ihre eigenen Zöglinge, Lehrer hinderten dreizehn-, vierzehnjährige Mädchen daran, die Klassenzimmer zu betreten. Ihr Vorwurf: Die Mädchen respektierten den Grundsatz des Laizismus nicht.

Daran änderte auch eine Entscheidung des obersten französischen Verwaltungsgerichts nichts. Das hatte schon 1989 festgestellt, dass lediglich religiöse Abzeichen mit „demonstrativem“ oder „propagandistischem“ Charakter dem Laizismus widersprächen. Eine Grenze, die zugegebenermaßen unscharf ist, was dazu führte, dass sich das Gericht immer wieder neu mit der gleichen Frage beschäftigen musste: 41 von 49 Fällen, die zwischen 1992 und 1999 verhandelt wurden, endeten mit der Annullierung der über die Mädchen verhängten Sanktionen. Die Lehrer beeindruckte das wenig: Oft wurden die Schülerinnen, kaum dass sie den Prozess gewonnen hatten, erneut vom Unterricht ausgeschlossen.

Hanifa Cherifi verschränkt ihre Finger ineinander. „1993/94 war die Situation geradezu katastrophal.“ Sie lässt keinen Zweifel daran, wen die „Katastrophe“ vor allem bedrohte: „Der Regierung lagen Berichte vor, wonach bis zu zweitausend Schülerinnen vorhätten, ihr Kopftuch nicht mehr abzulegen.“ Die Regierung reagierte. Sie gab einen Bericht in Auftrag, der den Ursachen des Phänomens nachgehen sollte, und sie bat eine Frau, mit einzelnen Schülerinnen zu sprechen, auf dass es nicht zum Ausschluss vom Unterricht und zu Aufsehen erregenden Gerichtsprozessen käme: Hanifa Cherifi.

Sie wurde 1953 in Algerien geboren. Als sie neun Jahre alt war, 1961, zog ihre Familie nach Frankreich, in das Land der einstigen Kolonialherren, das sich zu der Zeit mit Algerien einen grausamen Krieg lieferte. Madame Cherifi spricht nicht über das Mädchen Hanifa und welche Schwierigkeiten es möglicherweise hatte, sich in den neuen, fremden Kulturkreis einzufinden. Sie sagt auch nichts Näheres zu den Gründen, die sie später dazu bewogen, die französische Staatsangehörigkeit anzunehmen und als Erwachsene in Pariser Vororten Netzwerke für Migrantinnen zu organisieren, Arbeitsvermittlung für Migrantinnen, Kinderbetreuung, Sprachunterricht. Am Ende, 1994, kurz vor ihrem Eintritt in den Staatsdienst, hatte sie ihre eigene Firma: für Vermittlung bei familiären und kulturellen Konflikten. Sie sagt: „Ich dachte, wir sprechen über meine jetzige Tätigkeit.“ So als sei diese losgelöst von ihrem bisherigen Lebensweg zu betrachten. Und dann, nach einer Weile, sagt sie doch noch: „Es geht mir immer und einzig um das Wohl der Schülerinnen.“

Wer definiert, was Wohl ist? Sie muss diese Frage schon öfter beantwortet haben. Sie lächelt nachsichtig. „Jede Person ist frei in ihren Entscheidungen. Worauf ich nur hinweise, ist: Wenn das Tragen des Kopftuchs dazu führt, dass Mädchen nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen oder nicht mehr Versuche am Bunsenbrenner machen können, dann ist es das Recht der Schule, das nicht hinzunehmen. Aber auch sonst ist es einfach so, dass verschleierten jungen Frauen in der Schule Schwierigkeiten gemacht werden, einfach aufgrund unseres Gesellschaftsmodells. Was bleibt den Mädchen also? Sie können einen Rechtsstreit anstrengen. Aber egal, wie der ausgeht: Sie verlieren nur Zeit. Sie sind stigmatisiert. Sie verbauen sich ihre Karriere, ihr Leben. Denn es geht ja nicht nur um die Schule: In Frankreich wird keine Frau Lehrerin oder Richterin oder Beamtin, die ein Kopftuch trägt. Das Kopftuch ist also ein Hindernis der Integration – auf dem schulischen, dem gesellschaftlichen wie dem beruflichen Sektor. Und ich finde, dass diese Mädchen in diesem Land eine Chance haben sollen.“ Jeder Satz ein Plädoyer. Hanifa Cherifi sagt: „Ich übe keinen Druck aus.“

Ab welchem Punkt wird gut gemeintes Zureden zur Diskrimierung der Gewissensfreiheit?

Da wird ihr Ton ein klein wenig ungehalten. „Es ist einfältig, zu glauben, die Mädchen trügen das Kopftuch einzig aus religiösen Gründen. Die Religion fällt ja nicht so vom Himmel. Sie geht einher mit pubertären Krisen um Identität, Sinn und die Frage, wie man sich von den Eltern abgrenzt. Meiner Ansicht nach bekennen sich viele aus einer Protesthaltung heraus als Musliminnen.“

So oder so ähnlich muss sie auch mit den Schülerinnen sprechen, aber ganz sicher weiß das niemand. Die Gespräche sind stets vertraulich. Sie besteht darauf. Diverse Elternräte und Lehrer haben Hanifa Cherifi für ihren Stil und ihre vermeintlich mangelnde Transparenz in den knapp acht Jahren ihrer Vermittlertätigkeit kritisiert. Dokumentiert ist das in teils langen Leserbriefen in französischen Zeitungen. Hanifa Cherifi weist die Beschwerden von sich: „Es stimmt ja nicht. Ich rede fast immer mit allen Beteiligten, getrennt, versteht sich. Aber zunächst einmal geht es um die Mädchen, und die müssen wissen, dass das, was sie sagen, vor Dritten geschützt ist.“

Aussicht auf Akzeptanz hat das Gesagte deswegen noch lange nicht. Der französische Politologe Yves Sintomer beispielsweise, der sich in seinem Buch „La Démocratie impossible?“ mit der Frage nach den (un)zulässigen Grenzen von modernen Demokratien beschäftigt hat, hält das Pochen auf den Laizismus „lediglich für einen Vorwand“. Oft, argumentiert Sintomer, spiegele die starre Haltung im Kopftuchstreit nichts als den allgemeinen latenten Rassismus gegenüber Muslimen wider: Kein Schüler in Frankreich jedenfalls sei umgekehrt je wegen Tragens der Kippa oder des Kreuzes vom Unterricht ausgeschlossen worden.

Auch Hanifa Cherifi kann sich nicht erinnern, jemals in Religionskonflikten vermittelt zu haben, die Nichtmuslime betroffen hätten. Es habe aber einen Gerichtsstreit gegeben, sagt sie nach einigem Überlegen, und es klingt wie erleichtert darüber, dass dieser eine ihr doch noch einfällt, „da ging es um einen jüdischen Schüler, der samstags nicht zur Schule gehen wollte“. Der „Kopftuchstreit“ freilich betraf nie die Verweigerung bestimmter Unterrichtszeiten, sondern die Zulässigkeit eines bestimmten Kleidungsstücks. Diesmal wird sie energisch. „Das Kopftuch war nie Teil der traditionellen Kleidung in Nordafrika. Dort wurden höchstens weiße Kopfbedeckungen getragen. Das islamische Kopftuch dagegen ist Teil sexueller Unterdrückung von Frauen, es gehört einzig zur islamistischen Ideologie, die auf sexueller Apartheid gründet und wenig mit Religion zu tun hat.“

Und wenn junge Frauen sich dennoch die Freiheit herausnehmen, sich dafür zu entscheiden? Dann haben sie – anders als katholische und jüdische Schüler und Schülerinnen – keine schulische Alternative: Während die katholische Kirche und die jüdischen Gemeinden in vielen Städten Frankreichs von der Möglichkeit Gebrauch machen, staatlich anerkannte und subventionierte Privatschulen zu betreiben, hat von muslimischer Seite diesen Schritt neben dem Imam von Aubervilliers bislang nur eine einzige andere Bildungseinrichtung auf französischem Staatsgebiet gewagt – eine Grundschule auf der Insel Réunion bei Madagaskar.

Nicht nur dass den Muslimen, mit rund fünf Millionen die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft Frankreichs, vielerorts mit mehr Misstrauen begegnet wird als Menschen katholischen oder jüdischen Glaubens, wenn es um den Antrag einer Schulgenehmigung geht: „Die Stadt Aubervilliers hat zehn Jahre gegen unseren Verein La Réussite prozessiert“, sagt der Imam, „aus den fadenscheinigsten Gründen: Mal verweigerten sie uns die Baugenehmigung, mal unterstellten sie uns mangelnde Transparenz, was unsere Freizeitangebote angeht.“ Und auch die erste fünfte Klasse, mit der die Schule im vergangenen Herbst schließlich ihren Betrieb aufnahm, ist vorläufig nur als Pilotprojekt und für die nächsten drei Jahre geduldet: Dann wird evaluiert, ob und mit wie viel staatlichen Finanzzuschüssen „La Réussite“ weiterarbeiten kann.

„Für uns ist das überlebenswichtig“, sagt der Imam. Derzeit unterrichten alle Lehrer an dem Collège in Aubervilliers kostenlos und zusätzlich zu dem Stundenpensum, das sie bereits an staatlichen Schulen absolvieren. An die Bezahlung eigener Lehrer ist nicht zu denken: Während die christlichen Kirchen sowie die jüdischen Gemeinden oftmals vom ererbten Kapital und aus dem Klingelbeutel leben können, fehlt es dem Islam in Frankreich am Nötigsten. Denn der Zuzug muslimischer Migranten setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein, und die meisten von ihnen gehörten einer armen, ländlichen und wenig gebildeten Bevölkerungsschicht an.

Was also, wenn Musliminnen sich trotz allem freiwillig für die umstrittene Kopfbedeckung entscheiden? Dann, findet Hanifa Cherifi, ist es höchste Zeit, nach den Ursachen zu forschen. „Denn aus der Schule können die Mädchen diese Überzeugung ja nicht haben. Und von ihren Müttern auch nicht. Die meisten Mütter, die ich gesprochen habe, sind dagegen, dass ihre Töchter das Kopftuch tragen. Die Mütter vergessen nie, dass die Zukunft ihrer Töchter auf dem Spiel steht.“ Viele islamische Jugendzentren in der Banlieue dagegen, die die Kinder und Enkel der Einwandererfamilien mit zweifelhaften Methoden zu bekehren versuchten, kümmere diese Angst wenig. „Denen ist doch egal, was aus den Mädchen wird.“ Und gerade deswegen, sagt Hanifa Cherifi, „muss es künftig noch mehr Aufklärung geben.“

Gerade deswegen, sagt der Imam aus Aubervilliers, „muss es einen überschaubaren Ort, eine Schule geben, an dem die Mädchen tragen dürfen, was sie wollen, ohne diskriminiert zu werden“. Vor allem nach dem 11. September 2001 und nach dem Erfolg der rechtsextremen Front National bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2002 hätten sich die Positionen diesbezüglich verhärtet.

Dann sagt der Imam: „Es geht uns nicht in erster Linie um den Islamunterricht. Es geht uns darum, dass wir leider feststellen müssen, dass Kinder aus Einwandererfamilien immer noch diejenigen mit den schlechteren Schulabschlüssen sind.“ Er redet sich in Fahrt. „Es geht uns darum, dass viele unserer Kinder unglücklich sind, weil sie im staatlichen Schulsystem Arabisch verlernen und zu Hause nicht einmal mehr mit ihren Großeltern kommunizieren können und auch deren Glaubensschrift, den Koran, nicht mehr lesen können.“ Er sieht jetzt wütend aus. „Auch wir wollen nicht, dass die Kinder den Islam in den Kellern der Banlieue lernen.“ Und dann ändert er plötzlich seine Meinung. „Also gut, kommen Sie, kommen Sie nächsten Samstag zum Religionsunterricht!“ Es klingt, als sei es ihm nun ein echtes Bedürfnis.

In einem französisch-arabischen Sprachgemisch – jeder darf reden, was er besser kann – diskutieren die Jungen und Mädchen mit ihrer Lehrerin, was Altruismus bedeutet und wie ihn der Prophet vorgelebt hat. Anschließend liest die Gruppe laut aus dem Koran. „Niemand von uns weiß, ob unser Pilotprojekt eines Tages anerkannt wird“, sagt die Islamlehrerin später. Falls nicht, das hat das Pariser Bildungsministerium bereits angekündigt, müssten die Kinder eben zurück auf eine staatliche Schule. In etwaigen Konflikten stehe mit Hanifa Cherifi schließlich eine Fachfrau für die Vermittlung zwischen beiden Seiten zur Verfügung. Wie, ist auch schon klar: „Ich bin Vermittlerin im Innern des Schulsystems.“

HEIKE HAARHOFF, 33, ist Reporterin der taz. Von Oktober 2001 bis Juni 2002 hielt sie sich im Rahmen eines Stipendiums der Stiftung Journalisten in Europa in Paris auf

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