: Alle in einem Boot. Wer steuert, wer rudert?
Neuigkeit des Gipfels sind „Typ-II-Ergebnisse“: Abkommen zwischen Staaten, NGOs und Unternehmen. Verbände kritisieren und kooperieren
JOHANNESBURG taz ■ Hoffnung für den Regenwald im Kongobecken: Das Gebiet, 100 Millionen Jahre alt und fast sechsmal so groß wie Deutschland, soll mit einer internationalen Koalition besser vor dem Raubbau geschützt werden. Die USA wollen über drei Jahre insgesamt etwa 53 Millionen Dollar bereitstellen, um die Forstbehörden in den Staaten im Kampf gegen die illegale Abholzung der Regenwälder zu unterstützen. Zertifikate sollen den Holzhandel umwelt- und sozialverträglich machen. Die Anstrengung zur Rettung eines der letzten unberührten Urwaldgebiete der Welt soll zusammen mit den betroffenen afrikanischen Staaten, der Weltbank, Deutschland, Frankreich und Südafrika, Umweltgruppen wie dem WWF und Unternehmen wie dem US-Dachverband der Holz- und Papierindustrie gelingen.
Alle in einem Boot: Die Kongo-Initiative der USA ist ein typisches Beispiel für die „Partnerschaftsinitiativen“ oder auch „Typ II-Ergebnisse“, die eine Neuheit des UN-Gipfels in Johannesburg sind. Erstmals präsentiert die UNO, bisher auf die Beziehungen zwischen Nationalstaaten fixiert, Unternehmen und NGOs, die offizielle Partnerschaften unter dem Dach der UN eingehen wollen.
Die Liste der angemeldeten Projekte ist lang. Etwa 200 Vorschläge sind eingereicht, weitere 150 warten noch auf ihre Bearbeitung. So will etwa die Weltbank das Abfackeln von Gas an Ölraffinerien einschränken, die Niederlande planen einen weltweiten Masterplan für den Fahrradverkehr. Der französische Stromkonzern EdF will eine Allianz für ländliche Energieerzeugung in Afrika zusammenstellen. Die amerikanische Bankengruppe Citigroup will kleine Kredite an Kleinunternehmen vergeben. Auch Deutschland legt eine Reihe von Projekten vor. So soll beispielsweise ein globales Netzwerk für Forschung und Vertrieb von erneuerbaren Energien entstehen oder das Internetmagazin Yomag.net für verantwortlichen Konsum werben.
Das Problem der Typ-II-Ergebnisse: Die Kriterien zur Teilnahme sind allgemein gehalten: So müssen die Projekte neu sein, die nachhaltige Entwicklung befördern, freiwillig sein, die betroffenen Menschen und NGOs einbinden, und sich in bestehende Strategien etwa der Armutsbekämpfung eingliedern. Sie brauchen eine klare Definition der Ziele und bis zum Johannesburg-Gipfel muss zumindest die Anfangsinvestition gezahlt worden sein. Allerdings gesteht die UN, sie habe nicht die Möglichkeit, um zu überprüfen, ob diese Regeln eingehalten werden.
Umwelt- und Entwicklungsgruppen stehen den Typ-II-Ergebnissen skeptisch gegenüber. Einerseits lassen sie sich von potenten Geldgebern wie Staaten oder Konzernen gern in aus ihrer Sicht sinnvolle Projekte einbinden. Andererseits warnen sie davor, die Vereinbarungen könnten das Einfallstor für weiteren wirtschaftlichen und politischen Einfluss der Geberländer werden. So sind die NGOs etwa kritisch bei Projekten, die eine Privatisierung des Wasserversorgung anstreben. Und auch das Kongoprojekt der USA diene eher geostrategischen Interessen und der Sicherung von Rohstoffvorkommen als dem Regenwald, befürchten die Aktivisten.
Die UNO will diese Bedenken zerstreuen. Die Partnerschaften „dienen nicht dazu, starke Verpflichtungen der einzelnen Staaten beim UN-Gipfel zu ersetzen“, schreibt die UNO in ihren Prinzipien. Genau das ist aber eine der Befürchtungen von Daniel Mittler von „Friends of the Earth“. „Die USA und andere Regierungen benutzen die Typ-II-Ergebnisse um von ihrem Widerstand gegen bindende multilaterale Abkommen wie die Konventionen zum Klimawechsel und zur Artenvielfalt von Rio abzulenken.“ In der Tat haben die USA Projekte für Dutzende von Millionen Dollar angekündigt, während sie eine bindende Verpflichtung zur Hilfe standhaft verweigern. US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky sagte dazu: „Worte sind gut. Taten sind besser.“
Die Kritik von Mittler an den Typ-II-Vereinbarungen geht weiter. So würden „multinationale Unternehmen ins Zentrum der nachhaltigen Entwicklung gestellt, ohne sie haftbar für ihre Aktionen zu machen“. Schließlich seien die Partnerschaften ein „exzellentes Beispiel, wie Unternehmen ihr Image grün waschen könnten“. Als Beispiel nennt Mittler eine Aktion des US-Ölgiganten Exxon. Der Konzern hat in über 30 afrikanischen Ländern ein Programm ins Leben gerufen, um bei seiner Belegschaft die Tropenkrankheit Malaria zu verhüten und zu bekämpfen. Dazu sollen neue Medikamente entwickelt werden. „Es ist wichtig, die Malaria, einen der großen tropischen Killer, zu bekämpfen“, so Mittler. „Aber Exxon ist einer der wichtigsten Faktoren, der verhindert, dass die USA das Kiotoprotokoll unterzeichnen.“ Und die Erwärmung der Klimas, für die auch Exxon direkt mitverantwortlich sei, führe durch eine weitere Ausbreitung der Malaria und heftigere Unwetter besonders in Afrika zu „Millionen von Toten“. BERNHARD PÖTTER
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