: Kaffeetrinken auf dem Ulrichsplatz
Bremen hat einen „schwulen“ Platz bekommen. Er liegt im Ostertorviertel und heißt nach einem engagierten Juristen aus dem 19. Jahrhundert. Ein Münchener sorgte bei der Einweihung mit seiner Kritik an Rot-Grün fast für einen Eklat
Jetzt heißen sie also „Ulrichsplatz“, die Kopfstein-Quadratmeter zwischen Café Engel und Penny im Ostertorviertel. Der Namensgeber, Karl Heinrich Ulrichs, war ein schwuler Jurist und Kämpfer für Schwulenrechte im vorletzten Jahrhundert.
Am Wochenende, passend zum Geburtstag des Namenspatrons am 28. August 1825, boten die Einweihungsfeierlichkeiten dem rund 500-köpfigen Publikum alles, was zu so einem Fest dazugehört: Grußworte, Glückwünsche, lesbisch-schwuler und anderer Gesang. Und natürlich die offizielle Namensschild-Enthüllung durch Bausenatorin Christine Wischer (SPD). Auch die BSAG hatte sich nicht lumpen lassen und ein neues Haltestellenschild hingestellt: Adieu, „Wulwesstraße“.
Der Fest-Nachmittag hatte fast Langeweile-Potenzial, so friedlich bunt und einig schienen alle miteinander zu sein. Wenn da nicht Wolfram Setz gewesen wäre: Der lieferte nämlich statt eines Grußwortes von der Münchener Ulrichsplatz-Gruppe deutliche Kritik an der Berliner rot-grünen Regierung. Die habe immer noch kein Entschädigungsgesetz für die homosexuellen Opfer der Nazi-Zeit geschaffen. CDU und FDP kamen dagegen ungeschoren davon. Fertig war der Mini-Eklat: Statt auf der Bühne im geplanten Polittalk auf die Kritik zu reagieren, zogen sich Marieluise Beck (Grüne) und Volker Kröning (SPD) in ein Café zurück, anscheinend beleidigt. Das Publikum reagierte mit Unverständnis auf so viel Unprofessionalität. Beck wiegelte später ab: „Ich dachte: ‚Leutchen, denkt noch ein zweites Mal nach, wen ihr kritisiert. Wir gehen so lange Kaffee trinken‘.“ Immerhin habe Rot-Grün „in einem großen Kraftakt das Lebenspartnerschaftsgesetz auf die Beine gestellt. Und das muss honoriert werden“, sagte Beck. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass die FDP „gegen alles“, gestimmt habe.
Organisator Jörg Hutter, zu dem sich Beck und Kröning schließlich doch noch auf die Bühne gesellten, sieht deren Verhalten als ein „demonstratives Ärgern“. Er bedauerte vor allem, in der Runde, in der auch die CDU mit Jens Eckhoff vertreten war, nicht mehr genug Zeit für andere Themen gehabt zu haben: Zum Beispiel für die Entlassung von verpartnerten Caritas-Angestellten, die die katholische Kirche unlängst angekündigt hat. Vielleicht kann er diese Fragen ja beim nächsten Ulrichsplatzfest stellen. Denn wenn es nach Hutter geht, soll jetzt hier jedes Jahr eine Party stattfinden. Trotz Aufbocken von rot-grün.
Ulrike Bendrat
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