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„Kein Grund zur Panik“

PCB in der Gesamtschule Ost: Die Behörde denkt über Unterricht in Containern nach, das Gesundheitsamt wagt „keine Prognose“, wie viele Gebäude in Bremen noch kontaminiert sind

„Kunstunterricht im Zeichensaal wird es hier vorerst nicht mehr geben.“

Der Andrang ist größer als die Aufregung. Ja, die PCB-Werte in den Klassenzimmern im vorderen Gebäudeteil seien so hoch, dass diese ab sofort gesperrt seien, erklärt der Schulleiter der Gesamtsschule Ost, Franz Jentschke, am Dienstagabend den rund 200 Eltern und wenigen Schülern, die zur PCB-Informationsveranstaltung in die (nur gering belastete) Aula der Schule gekommen waren. Aber, so fügt Katharina Schack vom behördlichen Arbeitsschutz hinzu: „Es gibt keinen Hinweis auf schwere gesundheitliche Schäden bei dieser Konzentration.“

Selbst wenn sich ein Kind 24 Stunden in den höchstbelasteten Räumen der Schule aufhalten sollte, so Schacks Modellrechnung, werde es nur mit 21.750 Nanogramm PCB belastet. Arbeitsmedizinisch zulässig sei jedoch eine PCB-Aufnahme von 1.000 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Ein 30 Kilogramm schweres Kind dürfe also bis zu 30.000 Nanogramm PCB am Tag aufnehmen. „Es besteht kein Grund zur Panik“, betont Ina Schaefer vom Gesundheitsamt.

Trotzdem müssten die belasteten Räume auf jeden Fall saniert werden. Denn die schwer abbaubaren Gifte reicherten sich im Fettgewebe an. Muttermilch etwa sei aus diesem Grund nach wie vor stark mit PCB belastet.

Angesichts des „geordneten Rückzugs“, wie die Schulbehörde die Sperrung der vorderen Gebäudehälfte bezeichnete, sorgen sich die Eltern hauptsächlich um die Organisation des Unterrichts unter den beengten Verhältnissen. SchülerInnen und LehrerInnen müssten in den nächsten zwei Jahren mit teilweise drastischen Einschränkungen auskommen, macht Schulleiter Jentschke klar. So müssten aus Raummangel etwa alle Fachräume in „normale“ Klassenzimmer umgewandelt werden: „Kunstunterricht im Zeichensaal wird es hier vorerst nicht mehr geben.“

Inzwischen zeichnet sich ab, dass für die gesperrten Klassenzimmer zum Teil Ersatz durch Container geschaffen wird. Vier davon sollen nach den Herbstferien der GSO zur Verfügung stehen, die BerufsschülerInnen im Schulzentrum Walliser Straße sollen künftig eine Stunde früher und auch am Nachmittag unterrichtet werden. Eine Auslagerung der Teilzeitschüler an andere Schulen wird noch geprüft.

Kein Verständnis erntet am Dienstagabend ein Lehrer, als er sagt, er würde sein Kind unter den diesen Voraussetzungen nicht an der GSO anmelden. „Panikmache“, sagt eine Mutter. „Bleiben Sie Freunde der GSO“, appelliert der Schulleiter. „Bei allem Verständnis für irgendwelche Studien“, bringt ein Vater die Stimmung auf den Punkt: „Wichtig ist doch, die Freude an der Schule und die Lernmotivation aufrecht zu erhalten.“ Applaus brandet auf. Wie viele Gebäude in Bremen noch mit PCB belastet seien, will jemand wissen. Schulterzucken auf dem Podium. In Köln, wo bisher knapp 500 Gebäude auf PCB untersucht wurden, war jedes siebte vergiftet.

Armin Simon

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