: Behörde förderte Klüngel
Seit Montag ist der Kölner Müll-Klüngler Karl Wienand auf freiem Fuß. Grund: eine Schlamperei der Behörden. Sie haben Anti-Korruptions-Gesetze nicht angewandt
KÖLN taz ■ War die Korruption im Kölner Müllskandal nur ein „Kavaliersdelikt“? Als die Anwälte des früheren SPD-Spitzenpolitikers Karl Wienand diese Strategie probierten, ernteten sie müdes Lächeln. Doch inzwischen ist den Kölner Staatsanwälten, die dem 75-Jährigen Beihilfe zu Bestechlichkeit und Bestechung sowie Steuerhinterziehung vorwerfen, das Lachen vergangen.
Denn bei der Haftprüfung Wienands Anfang der Woche, so erfuhr die taz jetzt aus Justizkreisen, hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln zwar einen dringenden Tatverdacht wegen Steuerhinterziehung bejaht, die Frage der Beihilfe zur Bestechlichkeit aber bewusst ausgeklammert. Es könnte nämlich sein, dass der ehemalige Geschäftsführer der halbstädtischen Abfallverwertungs- und -entsorgungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann, nicht als öffentlicher Amtsträger im Sinne des Gesetzes zu betrachten ist. Das würde bedeuten, seine Bestechung wäre strafrechtlich eine Marginalie. Der ehemalige parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion war am Montag überraschend aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Der Organisationsberater Klaus Scholz sprach bei einer Veranstaltung der Grünen am Mittwochabend von einem Versäumnis der Stadt. „Dabei ist es ganz einfach für den Stadtrat, die Geschäftsführer der Firmen, an denen die Stadt die Mehrheitsanteile hält, als Amtsträger zu verpflichten“, sagte Scholz. Das entsprechende Gesetz sei nur fast niemandem bekannt. So sei Köln auch leider kein Einzelfall. „Gesetze gegen Bestechung gibt es viele. Die Politiker müssen dafür sorgen, dass die auch durchgesetzt werden“, mahnte Scholz.
Amtsträger, die direkt für eine Verwaltung arbeiten, sind zu besonderer Ehrlichkeit verpflichtet. Darum werden sie auch deutlich härter bestraft, wenn sie sich bestechen lassen. Für Eisermann, der mehrere Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben soll, könnte daher die Nichtverpflichtung ein Glücksfall sein – und somit auch für Wienand.
Wienand gilt als einer der Strippenzieher beim Millionen-Schmiergelddeal um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage und soll selber rund 6,4 Millionen Mark kassiert haben. Als „Berater“ von Hellmut Trienekens wirkte Wienand bis Mitte der 90er-Jahre bei diversen Projekten als „Türöffner“, wie der Viersener Ex-Müllmulti vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt hat. P. BEUCKER/F.ÜBERALL
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