: Diskussion nur im Presseraum
Die Finanzminister wollen der Debatte über die Reform des Stabilitätspaktes ausweichen. Doch auch der Verfassungskonvent erwartet eine Antwort
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Mitarbeiter der Kommission und der dänischen Ratspräsidentschaft werden gleichermaßen einsilbig, wenn sie nach dem deutschen Haushaltsdefizit und den im Stabilitätspakt vorgesehenen Strafmaßnahmen gefragt werden. Die Motive für die Schweigsamkeit sind allerdings grundverschieden. Die Kommission fürchtet, angesichts der Budgetmisere in Frankreich, Portugal, Italien und Deutschland könne der Pakt aufgeweicht und damit die starke Stellung von Währungskommissar Pedro Solbes untergraben werden.
Dänemark dagegen hält sich zurück, um nicht den Vorwurf zu hören, es predige Wasser und trinke Wein. Zwar halten die Dänen vorbildliche Haushaltsdisziplin. Da sie jedoch der Euro-Zone nicht angehören, tun sie das freiwillig, ohne wie Portugal oder Deutschland von Strafgeldern bedroht zu sein. Der Stabilitätspakt, auf den sich die Staats- und Regierungschefs 1997 beim Gipfel von Amsterdam einigten, hat nämlich nach dem „blauen Brief“ noch schärfere Instrumente in der Schublade. In einer zweiten Stufe sieht er vor, dass Schuldenmacher bis zu 0,5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes zinsfrei an Brüssel ausleihen müssen. Ist das Defizit von mehr als 3 Prozent Neuverschuldung innerhalb von zwei Jahren nicht abgebaut, wird dieses Darlehen in eine Geldbuße umgewandelt.
Die dänische Präsidentschaft habe den Deutschen nichts mitzuteilen, meinte ein dänischer Diplomat lapidar, als er nach der Tagesordnung für das informelle Finanzministertreffen heute und morgen in Kopenhagen gefragt wurde. Über Budgets einzelner Mitgliedsländer werde im Kreis der 15 nicht gesprochen. Lediglich heute Nachmittag soll im kleineren Kreis der zwölf Euroländer kurz über das Haushaltsdefizit in den Ländern der Eurozone beraten werden.
Diese Euro-Zwölf-Runde ist allerdings im Unionsvertrag gar nicht vorgesehen. Sie kann keine Beschlüsse fassen. Deshalb hat Währungskommissar Pedro Solbes vorgeschlagen, sie im nächsten EU-Vertrag als eigenständiges Gremium festzuschreiben. Denn in einer erweiterten EU von 25 Mitgliedern wären künftig die Euroländer in der Minderheit und hätten es zunehmend schwer, sich über einheitliche Maßnahmen in ihrer Währungszone zu verständigen.
Solbes hat der Kommission für die Zukunft die Rolle der obersten Währungshüterin zugedacht. Nur sie könne unparteiisch dafür sorgen, dass kein Euroland die gemeinsame makroökonomische Stabilität gefährde. Dieser Vorschlag ist den Finanzministern so suspekt, dass sie in Kopenhagen nicht einmal darüber reden wollen. Im Presseraum, so vermutete ein dänischer Diplomat, werde die zukünftige Finanzverfassung der EU bei diesem informellen Treffen intensiver diskutiert werden als zwischen den betroffenen Ministern.
Morgen Mittag werden sie dem Thema aber nicht mehr ausweichen können. Dann wird Klaus Hänsch zum Arbeitsessen in Kopenhagen erwartet. Der deutsche Sozialdemokrat leitet im EU-Konvent zur Reform der Verträge die Arbeitsgruppe Wirtschaftspolitik. Als sie vor wenigen Wochen mit der Arbeit begann, wurde jedem Mitglied ein Fragenkatalog in die Hand gedrückt: Soll die wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedern verstärkt werden? Funktioniert der Stabilitäts- und Wachstumspakt, vor allem das Strafverfahren bei übermäßigem Defizit? Sollte der Pakt Teil der EU-Verträge werden?
Währungskommissar Solbes will, dass die Mitgliedsländer künftig die Kommission nur noch einstimmig daran hindern können, blaue Briefe zu verschicken und Strafgelder zu verhängen. Auch diese Idee wird von der Arbeitsgruppe Wirtschaftspolitik im Konvent geprüft. Ein Eiertanz wie im Februar wäre dann nicht mehr möglich. Damals nötigte die deutsche Bundesregierung mit Blick auf die Bundestagswahlen den Rat dazu, die blauen Briefe an Deutschland und Portugal im Papierkorb verschwinden zu lassen.
Ähnlich könnte es jetzt wieder verlaufen, wenn die Kommission Strafgelder androhen will. Deutschland macht vorsorglich die schwache Konjunktur und die Flutschäden dafür verantwortlich, dass mehr Schulden gemacht werden. Dieses Argument zieht aber nicht. Im Stabilitätspakt ist ein „außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedsstaats entzieht“ ohnehin von der Schuldenbilanz ausgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen