Bisweilen clintonesk

Viel Brimborium drum rum, aber wenig Temperament in der Debatte. Die Adlershofer Polit-Show kopiert ihr US-Vorbild nur in Teilen. Eine amerikanische Journalistin aus Miami war für die taz am Set

von ASHLEY FANTZ

Weniger als einen Monat bevor Vizepräsident Al Gore und der damalige Governeur George Bush Amerika im Jahre 2000 in einen Wahlkampfzirkus hineindrängten, stand ich mit 500 anderen Journalisten in einem klimatisierten Zelt. Es war auf dem Campus der Washington-Universität in Missouri, ich stopfte mir Häppchen und Getränke ins Gesicht. Es war das dritte und letzte Fernsehduell des Wahlkampfs, und die Kandidaten waren irgendwo auf dem Campus. Das Gebäude blieb geheim. Währenddessen taten Reporter, was sie immer tun bei solch großen Events: Sie ließen sich kostenlose Dinge schenken: Bierhumpen mit Logos drauf, Kleidungsstücke mit Logos, Teller und Tickets. Während die Debatte schon begonnen hatte, waren viele schon kräftig dabei, die sieben verschiedenen Hausmarken der sponsernden Brauerei zu testen.

Am Sonntagabend, während Deutschlands zweitem Kanzlerduell, taten die Reporter in Adlershof das Gleiche: Sie aßen, sie tranken, sie aßen noch ein bisschen mehr.

Anders war nur, dass hier außerdem eine Blase von Berühmtheiten anwesend war, die das Duell als einen befremdlich feierlichen Event erscheinen ließ. Eine Chance zum Netzwerkeln und Bewundern von Politik als Entertainment. Der Hauptevent, dessen Kulissen offenbar von „Wer wird Millionär?“-Fans ausstaffiert wurde, schien gegenüber dem Kontakten und Smalltalken zweitrangig.

Anders als beim ersten Duell, bei dem die Kandidaten rüberkamen wie arrangierte Blechmänner, schienen Stoiber und Schröder Gott sei Dank etwas lebendiger zu sein. Ich konnte nicht anders, als an die überraschten „Oohs“ der Journalisten von St. Louis zu denken, als Gore, sichtlich erregt, sein Brustkasten auf- und abschwellend, aggressiv einen Schritt auf Bush zumachte. Eine Geste, die, so sagten Experten, Al Gore wichtige Punkte kostete.

Ich frage mich, was passiert wäre, wenn Stoiber und Schröder nicht dazu verhaftet worden wären, auf ihren Star-Trek-Podesten zu bleiben. Vielleicht hätten die Wähler ja einen Hauch solcher wahlentscheidenden Sekunden mitbekommen, als Stoiber, dem gegen Ende des Duells der Schweiß sichtlich auf der Oberlippe stand, den Kanzler herausforderte: „Wenn Sie sich mal zur Abwechselung wie der Kanzler des Landes und nicht wie ein Kandidat verhalten würden“, stichelte er, na, und mehr war dann wieder nicht. Schröder bürstete ihn ab mit einem lakonischen „Können wir die Debatte auf einem intellektuellen Niveau halten?“.

Jedenfalls war das frostige Zwischenspiel das einzig Aufregende in einer ansonsten ziemlich stelzigen Debatte. Das eigentlich Sinnvolle eines solchen TV-Duells ist schließlich, die Präsenz eines Kandidaten zu messen. Doch erhielt das Publikum nur in diesen seltenen Momenten, in denen die Temperamente der beiden Männer durchschimmerten, die Stimmen das wohl einstudierte Timbre verließen, der Austausch sinnfreier Soundbites aufhörte, die Möglichkeit dazu. Kein Wunder, dass Schröder laut den ARD-Umfragen der Gewinner war. Wie ein Aufziehvogel spielte Stoiber seine Trumpfkarte, die er, obwohl ein Ass, damit verspielte, in dem er unentwegt das Wort „Arbeitslosigkeit“ aufsagte. Selbst als er zu anderen Dingen gefragt wurde.

Schröder blieb ruhig. Bisweilen sogar clintonesk. Kein Wunder, nachdem er seit Monaten vom Skulpteur des Clinton-Images, Dick Morris, dressiert worden war. Unübersehbar, als er den beiden Moderatorinnen schmeichelte, dass er doch erst die Ticker lesen müsse, um mit ihnen mithalten zu können.