: Teiser auf Rattenfang
In Bremerhaven versucht die CDU mit dumpfen Parolen Stimmen am rechten Rand zu sammeln. In Bremen und Berlin ist man peinlich berührt
Wahlkampf auf Bremerhavnerisch: An der Autobahnauffahrt hängen Plakate der NPD. „Ein Herz für Deutschland“ ist darauf zu lesen, oder: „1.000 Euro für deutsche Kinder“. Darunter ein Plakat, das mit einer frischen, rot-weißen Banderole überklebt ist: „Zuwanderung stoppen“. Es ist nicht die DVU, sondern die CDU, die hier noch versucht, im letzten Moment den negativen Umfragetrend herumzureißen. Entschieden hat die Last-Minute-Aktion der Kreisverband Bremerhaven. „Inhaltlich müssen Sie das mit Herrn Teiser besprechen“, heißt es dort in der Geschäftsstelle. Der auf der Landesliste zweitplatzierte Michael Teiser hat nur eine Minimalchance, in den Bundestag einzuziehen. Die zu nutzen ist er aber offensichtlich wild entschlossen.
„Über die Plakatierung entscheiden die Kreisverbände eigenverantwortlich“, sagt der Wahlkampfmanager der Landes-CDU Heiko Strohmann, „da können auch regionalspezifische Besonderheiten einfließen.“ Bremerhavens Besonderheit ist ein ausgeprägtes rechtsradikales Wählerpotenzial, das bei dieser Wahl seine angestammte Heimat vermissen dürfte: Die in der Seestadt etablierte DVU tritt nicht an, zur Auswahl stehen die Republikaner, die NPD und die Schill-Partei. Oder eben Teisers CDU, die sich mit dem Slogan offen gegen die Politik der Bundes-CDU stellt. Die hatte nämlich von einer eigens eingerichteten Kommission unter dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller feststellen lassen, dass Deutschland dringend Zuwanderung braucht – nur eben besser gesteuert als bisher.
Strohmann will die Partei nicht auseinander dividieren lassen, verweist darauf, dass die stadtbremische CDU das Thema auch aufgegriffen habe – mit einer Anzeige im Weser Report. Dort verkündet Pareichef Bernd Neumann allerdings zweideutig: „Rot-Grün verantwortet: 4.000.000 Arbeitslose – und will noch mehr Zuwanderung.“ Bewusst offen bleibt, ob mehr Zuwanderung als bisher gemeint ist oder jede weitere Zuwanderung. „Natürlich ist es ein Problem, wenn man das so plakativ rüberbringt“, räumt Strohmann eine gewisse Distanz zum Bremerhavener Hang zur Vereinfachung ein. „Da besteht natürlich immer die Gefahr, mit der DVU verwechselt zu werden.“
Grabesstille war die Reaktion in der CDU-Bundesgeschäftsstelle auf die Plakat-Überkleber. „Wir müssen das erstmal prüfen“, brachte ein hörbar schockierter Sprecher schließlich heraus. Und: „Wir sind ziemlich föderal gegliedert. Nicht so zentralistisch wie die SPD.“ Jan Kahlcke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen