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US-Diplomaten sauer auf Germany

Bush-Beraterin Rice: „Atmosphäre vergiftet“. Tagblatt: Däubler-Gmelin lügt, aber „wir werden nicht zurückschlagen“. Däubler: Rücktritt? Ente! Fünf Zuhörer beeiden, die Ministerin habe Bush und Hitler nicht in einen Zusammenhang gebracht

aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER

Die „Adolf-Nazi-Affäre“ der Bundesjustizministerin war auch am gestrigen Wahltag nicht beendet. Aus den USA wurden weiterhin scharfe diplomatische Urteile über Herta Däubler-Gmelin (SPD) übermittelt, die George W. Bushs Strategie ins Verhältnis zu Adolf Hitler gesetzt hatte. „Wie kann man den Namen Hitlers mit dem des Präsidenten der Vereinigten Staaten in einem Satz benutzen?“, fragte Bushs Mitarbeiterin Condoleezza Rice.

Die Sicherheitsberaterin und Vertraute des Präsidenten wunderte sich besonders, wie eine deutsche Ministerin dies tun könne – angesichts des Einsatzes, den die USA „bei der Befreiung Deutschlands von Hitler“ erbracht hätten. „In diesem Sinne wurde eine Atmosphäre erzeugt, die vergiftet ist“, sagte Rice. Es war die bisher härteste Stellungnahme aus der US-Administration zu dem Auftritt Däubler-Gmelins vor Gewerkschaftern in ihrem Heimatwahlkreis Tübingen am Mittwoch.

Die SPD-Politikerin hatte dort in einer zweistündigen Diskussion mit 30 Betriebsräten die Militärstrategie George W. Bushs gegen den Irak mit folgenden Sätzen beschrieben: „Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht.“ So stand es jedenfalls am Donnerstag im Schwäbischen Tagblatt. Däubler-Gmelin dementiert diese Sätze inzwischen. Sie gesteht lediglich zu, eine zeitliche Abfolge beschrieben zu haben – seit Hitler sei diese Strategie bekannt.

Allerdings ist klar, dass selbst die von dem Lokaljournalisten in seinem Text verwendeten Sätze offenbar eine abgemilderte Version der Däubler’schen Geschichtsstunde waren. Denn die Justizministerin hatte, als sie Wind davon bekam, dass ein Reporter des Schwäbischen Tagblatts mitgeschrieben hatte, in der Redaktion angerufen und sich später auch dort eingefunden, um zu erläutern, was sie eigentlich gemeint hatte. Laut Tagblatt einigte man sich auf die genannten drei Sätze – die Däubler nun angesichts der weltpolitischen Reaktionen auf ihren Vergleich rundweg abstreitet. Am Freitag bezichtigte sie die Tagblatt-Leute, provinziell zu sein und die Unwahrheit zu sagen.

Ursprünglich hatte Däubler zum Beispiel davon gesprochen, dass man die vermeintliche Methode Bushs, mit Krieg von innenpolitischen Probleben abzulenken, bereits seit „Adolf Nazi“ kenne. Im Text des Tagblatts hieß es aber „Hitler“. Däubler selbst gestand den Berliner Journalisten, sie habe im Gespräch mit den Gewerkschaftern die umgangssprachliche Weise „Adolf Nazi“ verwendet.

Das Tagblatt wollte gestern keine Originalzitate von Däubler-Gmelins denkwürdigem Auftritt mehr herausgeben. Es sei allen klar, hieß es in der Redaktion, dass die Ministerin vor der Pressekonferenz in Berlin eine Erklärung abgegeben habe, die für das Weiße Haus bestimmt war. Über ihren Tübinger Auftritt habe sie aber nicht die Wahrheit geäußert, sagte die Chefin vom Dienst, Ulrike Pfeil, der taz. „Auf diesem Niveau werden wir aber nicht zurückschlagen.“ Der Redaktionsleiter des Tagblatts, Christoph Müller, hatte Däublers Berliner Erklärung als Lüge bezeichnet.

Däubler-Gmelin versuchte gestern, in die Offensive zu kommen. Ihr Sprecher sagte in Berlin, es gebe fünf eidesstattliche Erklärungen von Teilnehmern der Debatte, die ihre Position stützten. Sie habe keinerlei Zusammenhang zwischen Hitler und Bush hergestellt. Bei ihrer Stimmabgabe in Tübingen äußerte sich Däubler zu der Meldung, sie trete zurück: „Nein, natürlich nicht. Sie sollten nicht jeder Ente auf den Leim gehen.“ Nichtsdestoweniger wurde bereits am gestrigen Nachmittag Däublers Nachfolgerinnen als Jusitzministerinnen gehandelt: die derzeitige Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Ute Vogt oder Innenstaatssekretärin Brigitte Zypries.

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