: Flut unterspült auch den Ladenschluss
Während der Hochwasserkatastrophe wurde der Ladenschluss in den Notstandsgebieten ausgesetzt, um die Versorgung zu sichern. Sachsen und Sachsen-Anhalt möchten diese Ausnahme jetzt zur Regel machen
DRESDEN taz ■ Die Flut hat nicht nur Dämme aus Stein und Erde gebrochen. In den beiden hauptsächlich betroffenen Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt wird das Hochwasser von den CDU-geführten Regierungen auch zur Demontage des Ladenschlussgesetzes eingesetzt. Weder der Magdeburger Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) noch sein Dresdner Kollege Martin Gillo (parteilos) haben Zweifel daran gelassen, dass sie das Gesetz für einen Ladenhüter halten und lieber amerikanische Verhältnisse wünschen. Und im Bundesrat schlummert noch ein sächsischer Antrag, der mit Rücksicht auf die Kirchen zwar den Sonntag heiligt, ansonsten aber eine durchgehende Ladenöffnung zum Ziel hat.
Eine solche Nicht-Regelung erschien während der kritischen Augusttage zunächst völlig plausibel, als in den Hochwasserregionen teilweise die Lebensmittelversorgung zusammenbrach. Das sächsische Wirtschaftsministerium überließ es den Landkreisen und kreisfreien Städten, bis zum 30. September vom Ausnahmeparagraphen 23 des Gesetzes Gebrauch zu machen.
Die Kommunen nutzten die neue Freiheit höchst unterschiedlich. Der Landkreis Sächsische Schweiz oder die Städte Hoyerswerda und Leipzig beispielsweise setzten das Ladenschlussgesetz unbefristet aus. Händler im benachbarten Sachsen-Anhalt und besonders in der Region Halle-Bitterfeld fürchten nun, dass ihre Kundschaft in die großen Einkaufszentren nach Sachsen abwandert.
Diese Lobby, die Normalisierung in den Katastrophengebieten und der gewerkschaftliche Druck drängen die Landesregierungen zur Positionierung. Ver.di-Sprecher Stefan Brangs berichtet von Unternehmen in Sachsen, die den Ausnahmezustand ausnutzten. So hätte eine Baumarktkette, wo Angestellte zehn Tage ununterbrochen arbeiten mussten, Betriebsratsvereinbarungen über freie Tage abgelehnt. Einzelhändler klagten außerdem über den verschärften Verdrängungswettbewerb mit den großen Einkaufszentren.
Die Wirtschaftsministerien aber wollen nicht als Gesetzesbrecher dastehen. Reiner Lampe vom Magdeburger Wirtschaftsministerium bezweifelt, ob eine landesweite Fortschreibung der Ausnahmeregelung bis zum 31. Dezember rechtlichen Bestand haben kann. Ver.di-Sachsen hat bereits ein Gutachten bestellt und Betroffenen Rechtsschutz zugesichert. Die Verantwortung für die Umgehung des Gesetzes delegieren die Regierungen an die Kommunen. Sachsens Wirtschaftsstaatsekretärin Andrea Fischer forderte in einem Brief die Gemeinden zur Verständigung untereinander auf, im Sinne einer „möglichst einheitlichen und großzügigen“ Erweiterung der Öffnungszeiten. Dem will der Landkreistag auch nachkommen. Faktisch läuft dies doch auf eine landesweite Ausnahmeregelung bis zum Jahresende hinaus.
In den beiden CDU-geführten Ländern setzt man auf Zeit. Burkhardt Zscheischler vom sächsischen Wirtschaftsministerium: „Wir bauen auf Schröders Reformwillen oder die normative Kraft des Faktischen.“
MICHAEL BARTSCH
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