„Deutschland hat nichts dazugelernt“

Ronald Schill ist stinksauer auf das Volk, das ihm nicht folgen wollte. Persönliche Konsequenzen schließt er aus

Zunächst leugneteRonald Schill seine Niederlage. Dannredete er sie klein

HAMBURG taz ■ Ronald Barnabas Schill wollte es zunächst alles nicht glauben. Hochrechnungen und Umfrageergebnisse seien, „wie wir alle wissen, manipuliert“, pöbelte der Hamburger Inennsenator und Chef der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, als die ersten desaströsen Zahlen für seine Kleinpartei veröffentlicht wurden.

Als die sehr guten Ergebnisse für die Grünen durchsickerten, schüttelte er nur den Kopf: „Deutschland hat nichts dazugelernt.“ In Hamburg haben sich die politischen Verhältnisse exakt ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl komplett umgedreht. Am Sonntagabend waren es SPD und Grün-Alternative Liste (GAL), die jubeln durften. Schill, Triumphator im Vorjahr, erlebte ein Fiasko.

Seine Partei blieb mit 0,8 bundesweiten Prozent in der politischen Bedeutungslosigkeit. Und selbst in Hamburg drückten ihn die Wähler mit 4,2 Prozent unter die Wasserlinie. Ein Absturz, den der Parteigründer selbst möglichst kleinredete, nachdem er ihn nicht mehr leugnen konnte. Das Resultat sei zwar „enttäuschend“, das bundesweite Antreten dennoch kein Fehler gewesen: „Ein Antreten bei einer Wahl ist schließlich nichts Ehrenrühriges.“ Persönliche Konsequenzen schloss er natürlich aus.

Die forderte allerdings der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Funke von einem Parteifreund: Ein Möllemann sei von sofort an „politisch tot“, der könne „bundespolitisch nie mehr eine Rolle spielen“. Dass auch die Rolle, die die Hamburger Freidemokraten als Mehrheitsbeschaffer für den Schwarz-Schill-Senat spielen, eine der Ursachen für das maue FDP-Ergebnis sein könnte, deutete Rainer Funke nur ganz vorsichtig an.

Neidische FDP-Blicke in Richtung GAL: Deren Ergebnis ist mit 16,1 Prozent so gut, dass neben GAL-Parteichefin Anja Hajduk auch die Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, Krista Sager, als Zweite auf der Landesliste in den Bundestag einzieht.

Dabei hat auch das Wechselspiel zwischen GAL und SPD funktioniert. Die Sozialdemokraten haben alle sechs Direktmandate der Stadt über die Erststimmen geholt, dafür aber bei den Zweitstimmen an die GAL abgegeben. Mit dem Ergebnis, dass am Ende sogar ein Überhangmandat für die Hamburger SPD heraussprang. Parteichef Olaf Scholz rannte denn auch am Sonntagabend überall herum und erzählte, dass Hamburg damit „seinen Beitrag zur Sicherung von Rot-Grün im Bund geleistet“ habe. Es ist kein Geheimnis, dass Scholz mit einem Posten in der Berliner SPD-Fraktionsspitze oder gar in der Bundesregierung liebäugelt.

Bei der CDU herrschte gestern noch Katzenjammer. Wie der Koalitionspartner Schill ist auch die Hanse-Union böse abgewatscht worden: 29 Prozent sind das schlechteste Hamburger Resultat seit 1949. Umso eiliger waren gestern die Bemühungen, das alles auf die bundespolitische Ebene abzuschieben. CDU-Chef Dirk Fischer schob Schill den schwarzen Peter zu. Seine Teilnahme an der Bundestagswahl sei „wenig sinnstiftend“ gewesen.

PETER AHRENS