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Leben auf der Kopfhaut

Alle paar Monate schwappt die Läuse-Welle hoch, sagt das Gesundheitsamt. An der Lessingschule kämpfen Eltern jetzt schon seit Ostern gegen die Blutsauger auf den Häuptern ihrer Lieben

Klein-Bettina kommt aus der Schule und kratzt sich immer wieder am Kopf. Am nächsten Tag bringt sie ihren Eltern ein Papier mit nach Hause, das ihnen den Grund fürs Kopfkratzen erklärt: An der Schule grassieren die Läuse. Ein Blick auf den Kindskopf zeigt kleine weiße Eier, die „Nissen“, die an Kinderhaaren kleben, und einige ungefähr zwei Millimeter lange geschlüpfte Tierchen.

Da hilft nur: Ein Anti-Läusemittel über den Kopf, mit dem „Nissen-Kamm“ kämmen und tägliches Bettwäsche-Wechseln. Stofftiere müssen in die Tiefkühltruhe oder für Wochen in verknotete Plastiktüten; dort erfrieren oder verhungern die letzten Blutsauger. Was die Kopfhaut angeht: Werner Wunderle vom Gesundheitsamt nennt den Klassiker, „Goldgeist“, das die Tiere tötet. Nicht alle Eltern sind von dem Mittel begeistert: „Das ist ein Pestizid, das wir dem Kind über den Kopf gießen sollen“, sagt Jörg Handwerk, Schulelternsprecher an der Grundschule Lessingstraße. Dort kämpfen die Eltern mittlerweile seit Ostern gegen eine regelrechte Blutsauger-Plage. Das Problem zieht sich durch alle Klassen und macht auch vor den Horten nicht Halt. „Ob die Kinder die Läuse von der Schule in den Hort oder umgekehrt schleppen, kann niemand sagen“, berichtet Handwerk resigniert. Das größte Problem scheint zu sein, dass nicht alle Eltern von betroffenen Kindern mit gleicher Konsequenz gegen die Schädlinge vorgehen. Also überleben immer ein paar Exemplare und vermehren sich wieder munter weiter.

Die Verantwortung wird hin und her geschoben: Gesundheitsamtsmann Wunderle verweist auf Gesetze, nach denen die Eltern sich richten müssten: Einerseits bestehe Schulpflicht, andererseits sei es verboten, verlaust in die Schule zu kommen. Also müssten die Eltern dafür sorgen, dass ihre Kinder läusefrei die Schulpflicht erfüllen können. Eine Mutter wiederum sagt über die Schul- und Hortleitungen: „Die nehmen das auf die leichte Schulter, obwohl das jetzt schon so lange so geht.“ Außerdem solle das Gesundheitsamt in der Schule informieren.

Wunderle sieht die Verantwortung bei den Eltern: Läusebefall sei mit anderen Infektionskrankheiten zu vergleichen. „Wenn ein Kind Röteln hat, ruft ja auch niemand nach dem Gesundheitsamt, sondern geht mit dem Kind zum Arzt.“ Er berichtet von anderen Schulen, an denen die Läusebekämpfung unter Elternregie gut gelingen würde. Außerdem biete das Amt an, die Behandlung zu übernehmen, wenn Eltern sich das nicht zutrauten. Weil soviel los sei, bekäme man einen Läusecheck aber nur nach Voranmeldung.

Nach Wunderles Erfahrungen treten Läuse alle paar Monate auf. Derzeit sei wieder eine Hochphase.

Das frühere „Screening“, das das Amt bis 1999 betrieben hat, hält er nicht für sinnvoll. „Da haben wir hunderten von Kindern die Köpfe durchgekämmt“, sagt er. Heute würden sielieber gezielt Familien beraten, bei denen häufiger Läuse auftreten. ube

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