: Bahas Tod in Nablus
Eine Augenzeuge berichtet, wie ein unbewaffneter 13-Jähriger von israelischem Soldaten erschossen wird
NABLUS taz ■ Am Sonntagvormittag, drei Tage nach dem Attentat in der israelischen Hauptstadt Tel Aviv, war ich mit drei ausländischen Friedensfachkräften und Baha al-Bahsh, einem 13-jährigen Jungen, in der Innenstadt von Nablus im Westjordanland unterwegs. Wir hatten an diesem Tag schon mehrmals einen Panzer und ein gepanzertes Armeefahrzeug (APC) gesehen, die durch die Stadt fuhren und auf steinewerfende Jugendliche schossen. Als sie gegen 12 Uhr wieder am Ende der Straße in unserem Blickfeld auftauchten, blieben wir wie bereits zuvor am Straßenrand stehen.
Ich war erleichtert, als ich sah, dass die Fahrzeuge mehr als 100 Meter vor uns in eine Seitenstraße abbogen. Doch zuvor blieb das Armeefahrzeug kurz an der Ecke stehen und feuerte einen einzigen Schuss ab; einen gezielten Schuss, der von der Seite in Bahas Brustkorb eindrang.
Auf Arabisch werden Dumdumgeschosse auch „Schmetterling“ genannt, weil sie sich im Körper drehen und ihn von innen zerreißen. Ich erfuhr später, dass das Geschoss Bahas linken Lungenflügel und sein Herz zerfetzte, den rechten Lungenflügel beschädigte und einige Rippen zersplitterte. Ich konnte für ihn nichts anderes mehr tun, als ihn festzuhalten. Er starb innerhalb weniger Minuten unter unseren Händen weg.
Baha hatte sich immer in der Nähe der Friedensfachkräfte aufgehalten. Die sehen ihre Aufgabe darin, den Platz einzunehmen, den UN-Beobachter eigentlich haben sollten. Durch ihre Anwesenheit sollen die Soldaten davon abgehalten werden, Kriegsverbrechen zu begehen. Noch Minuten, bevor er ermordet wurde, versuchte Baha ein Kind, das in der Straßenmitte stand, zu überzeugen, in Deckung zu gehen. Als der Junge nicht auf ihn hören wollte, sagte Baha zu uns: „Gleich stirbt jemand.“
Die Menschen hier sagen mir, ich solle nicht weinen, denn Baha war nicht das erste und wird nicht das letzte Kind sein, das diesen sinnlosen Tod stirbt. Hier, in den palästinensischen Gebieten, ist man daran gewöhnt, Kinder sterben zu sehen. In diesem Land ist das Leben nicht mehr das Wertvollste, nichts, woran man sich zu sehr klammern sollte.
Ein Arbeiter des Roten Halbmonds sagte mir nach Bahas Beerdigung: „Israel besetzt nicht nur unser Land, sondern auch unser Leben.“ In einer Stellungnahme zu Bahas Tod erklärt die israelische Armee, dass die Soldaten einen Jungen erschossen hätten, der einen Molotowcocktail hielt. HANIN OTHMAN
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