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Reden mit großen Augen

Fehlerpfleger bei den Schlumpern: Bildende Künstler mit Behinderung aus Basel zu Gast in der Rinderschlachthalle

Bevor sechs Künstler der Schlumper Mitte Oktober zu einer Ausstellung ihrer Werke nach Chicago starten, begrüßen sie in ihrer Galerie zunächst Kollegen aus Basel. Markus Buchser, Tobias Eisenhut, Bruno Hofer, Sebastian Kaeser und Franz Klonek arbeiten als Künstler in der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel, einer der größten Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in der Schweiz. Wie die 22 Maler der Hamburger Schlumper befinden sie sich in der privilegierten Situation, nicht, wie viele andere, tagein tagaus stumpfsinnig Schrauben drehen oder Tüten kleben zu müssen. Stattdessen können sie ihren kreativen Impulsen Raum folgen.

So ganz von selbst kommen die allerdings nicht immer. Walter Buess, der Leiter der Kreativwerkstatt muss für Franz Klonnek oft den Farbtopf halten, damit er seine Trägheit überwindet und den Pinsel schwingt. Der 48-Jährige spricht nicht und malt nur zwei Formen. Aus Kreisen und Strichen setzt er schwungvoll farbige Bilder von Strichmännchen, Reihen von Küssen und Überlagerungen binärer Codes.

Sebastian Kaeser wiederum liebt Häuser, die er aus leuchtenden Farbflächen und zarten Linien baut. In mehreren Schichten wachsen sie auf tiefen Fundamenten, konzentriert aber intensiv und wie er selbst, freundlich in die Welt grinsend. Bilder, die während seiner dunklen Phase mit tiefem Nachtblau, wenig Rot und Weiß entstanden, gefallen ihm heute nicht mehr: „Die sind mir nit gerate, da hätt i mehr Grün male solle“, sagt er im Nachhinein.

Die spannendsten Bilder der Ausstellung stammen allerdings von Markus Buchser, der wegen Flugangst in Basel blieb und keinerlei Anregung braucht. Hauptsache, es gibt genug Farbe und Leinwände: Dann sitzt er täglich sieben Stunden besessen vor der Leinwand und presst ununterbrochen Naturbilder, Landschaften und Stadtansichten aus sich heraus. Abgehoben und wie aus der Luft betrachtet, wabern wild geordnete Agglomerationen von Häusern, Bergen, Feldern, Flüssen und Straßen durch die Bilder, deren Details zu entrückt schönen Flächen verwachsen.

Der einzige Figürliche der Gruppe ist Bruno Hofer. Aus wenigen Farben erschafft er mit kräftigen Konturen Mensch-Tierwesen, die sich immer wieder zu Gemeinschaften zusammenrotten. Mit großen Augen sind die Gestalten in angeregter Kommunikation miteinander verbunden. Tobias Eisenhut dagegen, mit 18 Jahren der Jüngste, rückt mit der Fotokamera alltäglichen Gegenständen und Räumen auf den Pelz. Er wählt Ausschnitte, die mit kuriosen Ansichten überraschen und zum Entziffern zwingen.

Initiiert wurde der Ausflug nach Hamburg von den “Fehlerpflegern“, den bildenden Künstlern Simone Kurz und Markus Häberlin aus Basel, die einmal im Jahr eine Aktion oder einen Workshop mit den Künstlern des Bürgerspitals machen. Vor Jahren wurde der Begriff von einem Musiker der Band Station 17 aus Hamburg erfunden, der damit seine Betreuer meinte. LISA MONK

bis 24. Oktober, Di bis Fr 16 bis 19 , Sa 11 bis 17 Uhr. Galerie der Schlumper, Alte Rinderschlachthalle, Neuer Kamp 30, Eingang B.

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