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Zaghaft regt sich der Protest

Auch in den USA sind viele Studenten gegen einen Irakkrieg. Doch den Friedensaktivisten fällt es schwer, ihre Kommilitonen zu massivem Widerstand zu bewegen. Den meisten ist Karriere wichtiger

aus Washington LENNART LABERENZ

Nach der Parlamentsdebatte über die Kriegspläne der Regierung Bush in der vergangenen Woche sammelt sich Protest aus allen sozialen Bereichen der USA. Doch während in Europa das Protestpotenzial klassischerweise an den Universitäten besonders hoch ist, gilt dies nur eingeschränkt für die USA.

Das eng geschnürte Campusleben setzt ständiges Pauken voraus. Auch wegen der hohen Studiengebühren konzentrieren sich die meisten Studenten darauf, möglichst schnell einen Abschluss zu machen. Dazu kommt, dass viele der oft kirchlich organisierten Stiftungen an ihren Ausbildungsstätten ein ausgesprochen konservatives Weltbild vermitteln. Der Staat greift in den allermeisten Staaten nicht einmal per Rahmengesetzgebung in die Lehre ein. Und dennoch sind Amerikas harte Patrioten unzufrieden mit ihren hohen Schulen. Trotz jahrzehntelanger Überwachung und Unterwanderung etwa durch die CIA haben die Universitäten noch nicht zu der Einmütigkeit gefunden, die die rechtskonservativen Stimmen von ihnen gerne sähen.

Ein Dorn im Auge ist den Konservativen – unter ihnen nicht nur Republikaner – vor allem das öffentliche Bildungssystem. Die Klage, dass die staatlichen Schulen in einem katastrophalen Zustand sind, ist einer der Standardsätze politischer Rhetorik.

Die miese finanzielle Ausstattung vor allem innerstädtischer Schulen mit einem hohen Anteil an sozial schwachen Gruppen ist dabei aber nicht der zentrale Aufhänger. Es geht um die Rolle der Universitäten. Lynne Cheney, die Frau des mächtigen Vizepräsidenten, und Senator Joseph Lieberman, der ehemalige demokratische Kandidat für dieses Amt, haben gemeinsam das Projekt American Council of Trustees and Alumni (ACTA) gegründet – mit dem erklärten Ziel einer Säuberung des ethisch-politischen Klimas an den US-Universitäten. Schon nach dem 11. September 2001 analysierten sie, dass „Colleges und Universitäten das schwache Verbindungsglied in Amerikas Antwort auf die Attacken“ seien. Weiter heißt es in dem ACTA-Pamphlet: „Selten haben Professoren öffentlich Heroismus erwähnt, selten haben sie den Unterschied zwischen Gut und Böse, die Natur der westlichen politischen Ordnung oder die freie Gesellschaft diskutiert. Ihren öffentlichen Botschaften mangelte es an Patriotismus und sie ergötzten sich in Selbstgeißelung.“ Tatsächlich, so verurteilen die AutorInnen scharf, sei die unerhörte Botschaft dieser Akademiker: „Zuerst die Schuld bei Amerika suchen!“ Zum Beweis solcher unamerikanischen Aktivitäten listet das Papier allerlei kritische Stimmen von Noam Chomsky über Jesse Jackson bis hin zu durchaus moderaten Regierungskritikern auf.

In diesem Klima lässt sich’s schwerlich protestieren – im Gegensatz zur Flower-Power-Zeit der 70er-Jahre, wie Benjamin McKean, Harvard-Student und Aktivist von der Anti-Sweatshop-Kampagne, feststellt. „Die Zeiten für Love, Peace und Happiness sind vorbei. Wir sind eher nüchtern und pragmatisch.“ Seine Organisation, die seit Jahren gegen die Niedriglohnproduktion etwa von Nike und Gap protestiert, ist dabei selbst ein Beispiel dieser Entwicklung.

Interesse für sich selbst

Aus der vor Jahren provokativ widerständigen Gruppe ist ein Haufen moderater Kritiker geworden – nicht wenige wollen sich bei einem möglichen späteren Arbeitgeber mit einem interessanten Lebenslauf profilieren. Das JungsozialistInnen-Phänomen ist also ein durchaus globales Syndrom – ein Umstand, den Ben McKean, der gerade nach Washington gezogen ist, nur widerwillig schluckt.

Dazu kommt an vielen Unis ein weiteres Problem. Sergio Villapunto vom Community College in Santa Monika (Los Angeles) fasst dies bündig zusammen: „Die meisten studentischen Gruppen organisieren sich um ihre eigenen Identitätsfragen.“ Der persönliche MigrantInnenhintergrund wird so zur Folie politischer Auseinandersetzungen – die sich aber oft in enger Grenzziehung nur um den eigenen Bauchnabel drehen. So bilden sich ethnisch strukturierte Gruppen heraus, die im seltensten Fall aber etwa die Konstruktion jener Ethnizität hinterfragen und oft nur wenig zu politischen Fragen außerhalb dieser Grenzen arbeiten. An den Universitäten beginnt sich aber trotz aller Schwierigkeiten Kritik zu rühren. Wurde der recht offene Betrug der letzten Präsidentschaftswahlen nur wenig kommentiert und der Krieg in Afghanistan beinahe völlig ignoriert, scheint beim Thema Irak das Fass überzulaufen. An über 200 Universitäten im ganzen Land haben Studierende inzwischen ihrem Unmut mit Protestmärschen und Teach-Ins Luft gemacht. Zwar beziehen diese Proteste oft Fundamentalchristen, halbgaren marxistischen Dogmatismus oder sogar antisemitische Nationalisten mit ein, „die große Mehrheit aber ist zumindest zur Diskussion gewillt“, wie Shane Handerson von der Universität Maryland feststellt. „Und das ist ein großer Schritt.“

Am Tag der Abstimmung über die Bush-Kriegsvollmachten luden das Insitut for Policy Studies (IPS) – ein altbewährt liberales Institut – und das Journal Merip (Middle East Research and Information Project) 19 KolumnistInnen und AutorInnen von Studentenzeitungen nach Washington ein. Der Meinungsaustausch verlief friedlich, auch wenn politische und theoretische Differenzen unübersehbar waren. Die Studenten trafen auf Profis aus der Washingtoner Szene, das IPS hatte progressive Akademiker und Lobbyisten dazugebeten.

Mühsame Aufklärung

Die Eingeladenen nehmen teilweise mit Staunen die geballten Fakten und Analysen entgegen. Etwa, wenn sie darauf aufmerksam gemacht werden, wie sich bewusst falsche Formulierungen tief in die mediale Wahrnehmung eingefräst haben; oder wenn sie mit ökonomischen Begründungen für die von George W. Bush geplante Kriegsführung konfrontiert werden. Ein Analysemuster, der zwar populär bekannt ist, „wir haben aber damit zu kämpfen gehabt, dass nur Hardcore-Marxisten solche Dinge auf dem Campus gesagt haben“, wie Laura Durkey – selbst Mitglied der hinreichend dogmatischen International Socialist Organisation – von der Columbia Universität New York befriedigt feststellt.

Als Michael Klare, Diektor des Programms für Friedens- und Weltsicherheitsstudien an fünf Univesitäten der Ostküste, erklärt, dass das US-Militär Planungen einer kommissarischen Verwaltung im Irak und einer bewaffneten Präsenz von bis zu 50 Jahren anstellt, stockt vielen im Raum der Atem. Kein Wunder, die große Mehrheit der KolumnistInnen kommt von privaten Hochschulen und sind weiße Männer. Ein Umstand, der bei einigen Beteiligten, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, Kritik und Zweifel hervorruft. „Das Treffen hier ist komplex“, sagt Shirin Vossoughi, iranischstämmige Studentin von der Uni Los Angeles, „ich bin mir über die Motivation Einzelner an diesem Thema sehr unsicher.“ Und der offene Hinweis eines studentischen Lobbyisten, dass er auch zum CIA gehen würde, reißt die gerade gefundene Hoffnung auf eine fruchtbare Zusammenarbeit fast schon wieder ein.

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