piwik no script img

Patriotismus gegen die eigene Basis

In den USA haben sich die Senatoren und Abgeordneten der Demokraten mit ihrer Zustimmung zu den Irakkriegsplänen von Präsident Bush im Wahlkampf einen Bärendienst erwiesen. Denn die Basis lehnt einen Militärschlag gegen den Irak ab

Den Demokraten kann jetzt nur noch ein kleines Wunder den Wahlsieg bringen

aus Washington MICHAEL STRECK

Zwei Wochen bleiben der Demokratischen Partei in den USA noch, die Aufmerksamkeit der Amerikaner bis zu den Kongresswahlen wieder auf innenpolitische Probleme zu lenken, die den Menschen drängender sind, als ein Krieg gegen den Irak. Es könnte jedoch sein, dass sich die Parteistrategen verrechnet haben und die Zustimmung vieler einflussreicher Demokraten im Kongress zu einem militärischen Alleingang gegen Bagdad Wählerstimmen kosten wird.

Nicht genug damit, dass die demokratischen Kandidaten für Senat und Abgeordnetenhaus in den verschiedenen Bundesstaaten durch das Übergewicht der Kriegsdebatte und die Aussichten auf einen Waffengang mit ihren Themen wie der schwachen Wirtschaftskonjunktur, explodierenden Gesundheitskosten und dem Haushaltsdefizit kaum Punkte sammeln konnten. Nun wendet sich auch noch die liberale Wählerbasis enttäuscht über die mangelnde Fähigkeit ihrer Partei ab, Präsident George W. Bush in der Irakfrage stärker Paroli zu bieten. Es muss schon fast ein kleines Wunder geschehen, damit die Demokraten das Ruder noch einmal herumreißen und bis zum Urnengang am 5. November ihre Stammwähler mobilisieren können.

Wer sich unter altgedienten Anhängern der Demokraten umhört, muss zu dem Ergebnis kommen, dass ihre Parteiführer dank deren fragwürdigen Taktik – rasch die Irakresolution im Kongress absegnen, um das Thema vom Tisch zu haben – nun als profillose Opportunisten dastehen. „Unsere Basis verlangt, dass wir uns Bush in der Kriegsfrage entgegenstellen“, sagt Donna Brazile vom Democratic National Committee und Mitstreiterin von Al Gore im Präsidentschaftswahlkampf 2000.

Selbst bislang loyale Demokraten in Stadtvierteln mit überwiegend schwarzer Bevölkerung und Parteihochburgen in Kalifornien und Neuengland würden sich heftig beklagen, dass sie sich von ihren Abgeordneten nicht mehr vertreten fühlten. „Streng genommen ist die Botschaft unserer Führungselite: Wir unterstützen Bush im Krieg. Das überzeugt doch keinen demokratischen Wähler.“

Laut einer jüngsten Umfrage ist die Opposition gegen einen Irakkrieg am größten unter den Wählern, die eine wichtige Säule der demokratischen Wählerschaft bilden: Liberale, Schwarze und Frauen. Während lediglich 34 Prozent aller Amerikaner einen Militärschlag gegen den Irak ablehnen, sind es jedoch 76 Prozent unter den Stammwählern der Demokraten. Dem Schmusekurs ihrer Senatoren gegenüber Bush in der Irakfrage haben sie nun eine erste Quittung ausgestellt: Seit August sind die direkten Wahlspenden massiv zurückgegangen. Dies bedeutet für den Wahlkampf ernste Konsequenzen, schließlich müssen aufwendige Kandidatenshows und teure TV-Spots bezahlt werden.

Die Menschen, die an Republikaner und Demokraten spenden, sind jene mit den stärksten ideologischen Ansichten. Sie sind entweder „echte“ Konservative oder Liberale. Wenn nun die demokratische Spenderbasis dazu tendiert, Bushs Kriegspläne abzulehnen, die Partei dieser Haltung jedoch nicht Ausdruck verleiht, haben die Demokraten insgesamt ein Problem. Das können sie auch dadurch nicht wieder wettmachen, dass sie sich nun besonders wortgewaltig für ihre arbeitslosen Mitbürger und gegen korrupte Konzernchefs ins Zeug legen.

Die Entfremdung prominenter Demokraten von ihrer Klientel ist jedoch nicht nur auf wahltaktisches Verhalten zurückzuführen, sondern maßgeblich auf persönliche Ambitionen. So haben alle Senatoren, die als Herausforderer des Präsidenten im Jahre 2004 gelten, die Kriegsvollmacht für Bush mit unterschrieben. Einzig der jüdische Senator Joseph Lieberman aus Connecticut und früherer Vizepräsidentschaftskandidat von Al Gore handelte wohl aus Überzeugung. Andere, wie Senatsfraktionschef Tom Daschle, die Senatoren John F. Kerry aus Massachusetts und John Edwards aus North Carolina, machten noch vor wenigen Wochen als Kriegsgegner von sich reden, wollten aber letztendlich nicht als unpatriotisch oder außenpolitische Schwächlinge dastehen – Attribute, die Amerikaner gewöhnlich nicht honorieren.

Daschle gilt nach seinem Rückzieher als angeschlagen, und auch der junge ehrgeizige Edwards, der noch kürzlich eine energische Rede gegen Bushs Erstschlagsdoktrin gehalten hatte, trägt nun den Stempel des Umfallers. Um sich die Türen für eine Kandidatur im Jahr 2004 offen zu halten, glaubten viele Demokraten nationale Einigkeit demonstrieren zu müssen. Doch damit dürften sie ihrer Partei eher einen Bärendienst erwiesen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen