: Kleines Missverständnis im Schill-Senat
Lauschangriff in Hamburg vorerst gestoppt: Koalitionspartner FDP wollte angeblich noch nie die totale Überwachung
HAMBURG taz ■ Für Burkhardt Müller-Sönksen ist es ein großes Missverständnis. „Es war immer Grundlage, dass das Hamburger Verfassungsschutzgesetz nicht über die neue Bundesregelung hinausgehen soll“, beteuert der FDP-Fraktionsvorsitzende in der Hamburger Bürgerschaft. Man habe „nie eine andere Meinung gehabt“. Dennoch hatte Innensenator Ronald Schill einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Eingriffsschwelle fürs Lauschen in dem CDU/FDP/Schill-regierten Stadtstaat deutlich senken sollte. Dieser ist nun nach dem Nein der FDP wohl vom Tisch.
Schill wollte dem in Hamburg jüngst massiv aufgestockten Verfassungsschutz unter anderem das Recht einräumen, auch Wohnungen von Personen zu überwachen, die nicht selbst verdächtig sind, sondern nur Kontakt zu Verdächtigen haben könnten. Besonders Journalisten, Rechtsanwälte, Geistliche und Ärzte wären davon wahrscheinlich betroffen gewesen. Pikant: Schill wollte zur Überwachung auch Kameras in Wohnungen installieren. Nach der Bundesregelung darf der Verfassungsschutz jedoch nur Wohnungen von Verdächtigen abhören. Videoüberwachungen sind generell unzulässig.
Nachdem Schills Vorschlag den Hamburger Senat bereits reibungslos passiert hatte, regte sich in der Hansestadt außerparlamentarischer Widerstand: Die Berufsverbände, der Datenschutzbeauftragte, die Kirche sowie die Chefredakteure von Stern und Bild verlangten von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und vom liberalen Koalitionspartner, dass sie Schill in die Schranken weisen. Mit Erfolg: Am Freitagabend beschloss das Präsidium der Elbliberalen: „Es wird keine Verschärfung geben.“ Auch CDU, Schill-Partei und die Innenbehörde selbst signalisierten Kompromissbereitschaft. Die FDP, die in Hamburg um ihr liberales Image kämpfen muss, setzt noch eins drauf: Sie will nun dem Hamburger Verfassungsschutz das Belauschen von Berufsgeheimnisträgern generell verbieten. Über eine Bundesratsinitiative soll auch das Gesetz für den Bundesverfassungsschutz in dieser Hinsicht nachgebessert werden.
Was eine handfeste Koalitionskrise – schon wieder wegen Schill – hätte werden können, stellt die FDP nun als „ganz normalen Vorgang“ dar: „Wir wollten das Gesetz erst mal auf den parlamenatrischen Weg bringen“, erklärt Müller-Sönksen den späten Zeitpunkt des Protestes, „es war immer klar, dass darüber noch diskutiert wird.“
HEIKE DIERBACH
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