: Ohne Flachs EU-Beihilfen zurück
Ende der 90er-Jahre verzeichnete der spanische Flachsanbau einen seltsamen Zuwachs – und das trotz trockener Böden. Jetzt kommt heraus, dass die Anbauflächen gar nicht existierten, sondern nur dem Einstreichen von EU-Subventionen dienten
aus Madrid REINER WANDLER
Die EU-Kommission verlangt von Spanien 99,2 Millionen Euro Subventionsgelder zurück. Dies gab das spanische Landwirtschaftsministerium bekannt. Damit muss Madrid die gesamte landwirtschaftlichen Hilfsgelder zurückzahlen, die für den Flachsanbau in den Jahren 1998 bis 2000 aus EU-Töpfen flossen. Brüssel ermittelt außerdem, ob auch die zwischen 1996 und 1998 bezogenen Gelder zurückgegeben werden müssen. „Die zuständigen spanischen Behörden richteten nicht das notwenige Kontrollsystem ein“, heißt es in dem Brief aus Brüssel.
Die EU begann die Ermittlungen vor zwei Jahren. Damals war aufgefallen, dass in Spanien die Anbaufläche für Flachs vor allem in Zentralspanien ständig stieg. Das verwunderte doch. Denn auf den trockenen Böden Spaniens ist Flachs kaum Gewinn bringend anzubauen. Die Qualität reicht nicht, um gut bezahlte Leinen herzustellen. Der einzige Zweck solchen Treibens war der Bezug von EU-Subventionen in Höhe von 781 Euro pro Hektar für Anbau und Weiterverarbeitung.
Was bei den Ermittlungen ans Tageslicht kam: Ein Großteil der angegebenen Ernte war niemals eingefahren worden. Als die Behörden sich anschickten, die Fabriken, die den Flachs zu Leinen verarbeiten, zu untersuchen, brannten nacheinander sechs Lagerhallen ab. Alle wussten von diesem Gebaren, und alle schauten weg.
So gehörten zwei Subventionsjäger dem spanischen Landwirtschaftsministerium an, das damals von der heutigen EU-Kommissarin Loyola de Palacio geleitet wurde. Einer der abgebrannten Betriebe gehörte der Familie des Chefs der Vergabebehörde für EU-Subventionen (Fega). Sie strich stolze 1,8 Millionen Euro ein. Ein anderer hoher Funktionär aus dem Landwirtschaftsministeriums sowie ein Regierungsdelegierter im zentralspanischen La Mancha spezialisierten sich ebenfalls auf Flachs und Leinen. Auch ihr Betrieb fiel den Flammen zum Opfer.
In Spanien beginnt jetzt der Streit darum, wer den nun die für die Kontrolle der Subventionsgelder „zuständige Behörde“ sei, von der Brüssel spricht. Madrid hat die Regionalregierungen im Auge. Sie vergeben die Gelder direkt an die Landwirte. Dennoch wollen sie sich aus der Verantwortung stehlen. Denn erst seit 2001 gibt es ein Gesetz, mit dem Madrid die Regionen in die Verantwortung nehmen kann. Der Subventionsbetrug fällt in die Zeit davor. Darauf beruft sich die Regierung der Region, in der am meisten Betrugsfälle bekannt wurden, das zentralspanische Castilla La Mancha, das von der sozialistischen Opposition regiert wird. Ihrer Ansicht nach soll Madrid für den Schaden aufkommen und die Betrüger zwingen, die Hilfen zurückzuzahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen