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Der BND ist überall in der Türkei

Türkische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Adenauer-, Ebert-, Naumann- und Böll-Stiftung. Abstruser Vorwurf: Sie seien nur Tarnadressen des BND und sollen versucht haben, die Türkei zu zerschlagen. Angebliches Motiv der Deutschen: Gold

Türkische Kreise sehen ihren Staat von europäischen Feinden umzingelt

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die vier wichtigen parteinahen deutschen Stiftungen sollen in der Türkei wegen Spionage angeklagt werden, wie türkische Medien berichten. Die Staatsanwaltschaft am Staatssicherheitsgericht in Ankara wirft den Vertretern der Adenauer-, Ebert-, Böll- und Naumann-Stiftung in der Türkei sowie dem Leiter des deutschen Orient-Instituts in Istanbul vor, dass sie „geheime Absprachen gegen die Sicherheit des türkischen Staates“ getroffen hätten. Offiziell ist die Anklage noch nicht bei Gericht eingereicht worden; eine Vertreterin der Böll-Stiftung geht allerdings davon aus, dass dies in den nächsten Tagen geschieht. Kommt es zum Prozess, droht den Angeklagten eine Haftstrafe zwischen 8 und 15 Jahren.

Der Leiter der Adenauer-Stiftung in Ankara, Wulf Schönbohm, hofft dagegen noch, dass das Gericht sich nicht für eine „offensichtliche politische Intrige“ benutzen lässt und die Eröffnung eines Verfahrens ablehnen wird. „Ich gehe davon aus, dass der türkische Rechtsstaat sich nicht selbst beschädigen wird“, sagte er gegenüber der taz. Auch Hans Schuhmacher, Leiter der Ebert-Stiftung, ist bislang noch zuversichtlich, dass die Kampagne gegen die deutschen Stiftungen demnächst beendet wird.

Die Affäre begann mit dem Buch „Die deutschen Stiftungen und die Akte Bergama“ von einem Politologen namens Necmit Hablemitoglu, der sich selbst als „mit Geheimdienstangelegenheiten vertraut“ vorstellt. Er behauptet, dass die deutschen Stiftungen keine unabhängigen Organisationen seien, sondern verkappte Ableger des Bundesnachrichtendienstes (BND). Sie würden in der Türkei separatistische und islamistische Organisationen unterstützen, um das Land zu spalten.

Das angebliche Kalkül dahinter, wie es Politologe Hablemitoglu darstellt: Die Stiftungen wollten im Auftrag des Geheimdienstes BND die Goldschürfung in der Türkei verhindern, damit Gold aus Deutschland an die Türkei verkauft werden könnte. Um diese Behauptung zu belegen, konstruiert der Autor eine angebliche deutsche Unterstützung für eine große Bürgerinitiative in Bergama, die seit Jahren dagegen kämpft, dass in ihrer Umgebung mit Hilfe von Zyanid Gold aus der Erde gewaschen wird.

Vor zwei Jahren hat eine Deutschtürkin, Birsel Lemke, den Alternativen Nobelpreis für ihre Arbeit in der Bürgerinitiative von Bergama bekommen. Da sie mit der internationalen Umweltschutzorganisation Fian zusammenarbeitet, versucht man die Bürgerinitiative nun mit dem Vorwurf zu denunzieren, ihre Arbeit sei vom Ausland gesteuert. Obwohl keine der deutschen Stiftungen je gemeinsam mit der Bürgerinitiative eine Veranstaltung durchgeführt hat, konstruiert Hablemitoglu in seinem „Enthüllungsbuch“ einen Zusammenhang, der nun von der Staatsanwaltschaft übernommen wurde. Die gesamte Anklage stützt sich wesentlich auf das Buch und lässt laut Stiftungsvertretern deutlich erkennen, dass man sich noch nicht einmal bemüht hat so zu tun, als hätte man wirkliche Beweise für die Behauptungen.

Pikanterweise ist der zuständige Staatsanwalt Nuh Mete Yüksel vor einigen Tagen wegen einer Sexaffäre von seinem Posten suspendiert worden. Yüksel ist einer der bekanntesten Scharfmacher unter den Staatsanwälten der Staatssicherheitsgerichte, der sich besonders in Prozessen gegen islamistische Organisationen hervorgetan hat. Auch in diesen Verfahren soll Necmit Hablemitoglu ihm zugearbeitet haben.

Hablemitoglu wie Yüksel gehören zu Kreisen in der Türkei, die ihr Land ständig von Feinden umzingelt wähnen. Die EU ist für die beiden eine imperiale Macht, die die Türkei zerstören und kolonialisieren will. Diese Haltung ist weit verbreitet und wird selbst von Regierungsmitgliedern unterstützt – weshalb Yüksel bis Anfang dieser Woche unbehindert gegen die Stiftungen ermitteln konnte.

„Wir warten nun ab, wer auf Yüksel folgt und was dann weiter passiert“, meinte Schönbohm gestern. Die Stiftungsvertreter wollen auf jeden Fall in der Türkei bleiben und die Sache „durchfechten“. Nach anfänglichem Zögern, so Schuhmacher, gebe es nun auch eine angemessene Unterstützung der Bundesregierung. Bundespräsident Rau hat an seinen türkischen Kollegen Sezer geschrieben, das Auswärtige Amt ist auf Staatssekretärsebene engagiert. Die Arbeit der Stiftungen ist laut Schönbohm durch die Ermittlungen bislang nicht wesentlich tangiert. „Wir machen weiter wie bisher“, sagte er der taz, „allerdings ist es seitdem schwieriger, türkische Partner zu finden.“

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