: Die Wurzel des Vorurteils
B. Z. Goldbergs Dokumentarfilm „Promises“ zeigt, wie Kinder aus Israel und Palästina lernen mit Rassismus zu leben
Lieber würden sie in ein Flüchtlingscamp gehen als zu denen da … – Yarko und Daniel sind etwa 10 Jahre alt und leben in Jerusalem. Vor Männern mit Stirnlocken haben sie Angst, nur an der Hand des Regisseurs traut sich einer der Zwillinge, ein Zettelchen in eine Nische der berühmten Klagemauer zu stecken. Wenn’s beim Volleyballturnier nächste Woche hilft. Ernst nehmen kann er das Ganze nicht.
Als B. Z. Goldberg 1997 mit den Dreharbeiten für seinen ersten Dokumentarfilm „Promises“ begann, war die Situation in Israel vergleichsweise entspannt. Dennoch zeigen seine Interviews mit jüdischen und palästinensischen Kindern, wie tief der Konflikt wurzelt, und vor allem, wie er sich reproduziert. Das Feindbild der Kinder ist klar umrissen, ihr Rassismus gefestigt. Insbesondere die streng religiös erzogenen wiederholen die Klischees, dass jeder Palästinenser ein Terrorist und jeder Israeli ein Mörder sei. Mehr noch, sie bauen offensichtlich ihre gesamte Identität auf diesem Bild auf. Keiner von ihnen hat je mit dem „Feind“ Kontakt habt. Ihre Welten sind strikt getrennt, dabei leben sie nur 20 Minuten voneinander entfernt.
Goldberg fragt immer wieder nach, ob die Kinder nicht Lust auf ein gemeinsames Treffen hätten. Nach langem Hin und Her zeigen vier von sieben Interesse. Und wieder sind es die weltlich aufgewachsenen, die eine vorsichtige Offenheit an den Tag legen. Die Palästinenserin Sanabel streitet mit ihren Freunden leidenschaftlich für ein Treffen. Ihr Vater sitzt seit Jahren ohne Prozess in einem israelischen Gefängnis. Goldberg begleitet die Familie auf dem langen Weg dorthin und zeigt dabei, welchen Schikanen durch israelische Soldaten sie ausgesetzt ist.
Schließlich ist es so weit: Die Zwillinge betreten erstmals ein Flüchtlingslager. Alle sind wahnsinnig aufgeregt. In gebrochenem Englisch suchen die Kinder nach Verständigung. Kicken ist einfacher, es funktioniert für einen Tag. Aber spätestens die Tränen beim gemeinsamen Abendessen zeigen den enormen Druck, der auf der Begegnung lastet und alle überfordert.
Zwei Jahre später sucht Goldberg die Kinder erneut auf. Deren Bilanz ist ernüchternd. Die immer schwieriger werdende Grenzüberschreitung würde ein ganzes Leben auffressen. „Ich fänd’s gut, wenn Juden und Araber miteinander klarkämen, wirklich. Aber ich kann mich nicht immer damit beschäftigen. Weil, da sind meine Freunde und der Volleyball …“ Die Zwillinge fordern ihr Recht auf Jugend; Sanabel und ihr Freund Faraj wissen, dass ihre schon lange vorbei ist. Was sollen sie dazu sagen.
„Promises“ erhielt zahlreiche internationale Preise und wurde auch von der israelischen Presse positiv aufgenommen: „‚Promises‘ ist so gut, dass jeder ihn sehen sollte“, schrieb The Jerusalem Report, „der Film fängt das Wesen dieses endlosen Krieges ein und ist doch voller Humor.“
INES KAPPERT
„Promises“. Regie: Justine Shapiro, B. Z. Goldberg und Carlos Bolado; Israel 1998, 106 Minuten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen