: Rätselhafte Affäre
Thüringens Innenminister Christian Köckert tritt zurück. Trotzdem bleibt ungeklärt, wie ein Computer mit brisanten Daten verschwinden konnte
von MICHAEL BARTSCH
„Ich muss mir wohl einen neuen Innenminister suchen!“ Mit diesen eher unklaren Worten nahm Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) gestern das Rücktrittsgesuch seines Innenministers Christian Köckert an. Am 21. November solle ein Nachfolger vereidigt werden. Köckert erklärte seine Demission damit, dass er die politische Verantwortung dafür übernehmen wolle, dass eine CD mit brisanten Geheimdaten verschwunden ist. Auch Vogel bezeichnete die Vorgänge im Innenministerium als „ungewöhnlich“. Die SPD-Fraktion hatte eine Sondersitzung des Landtags beantragt.
Nach wie vor sind die meisten Umstände ungeklärt, warum vor fünf Jahren bei einem Umzug zwei Computer des Innenministeriums gestohlen wurden – und warum im letzten Jahr eine CD-Sicherungskopie mit den Daten verschwunden ist. Einer der Computer stammte jedenfalls aus der Abteilungsleitung für Versammlungs-, Verfassungs-, Ausländer- und Ordnungsrecht. Seine Festplatte enthielt Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung von Regierungsmitgliedern und hohen Landesbeamten sowie Protokolle der geheim tagenden parlamentarischen Kommission für den Verfassungsschutz (PKK). Gespeichert waren außerdem die verdeckt arbeitenden Ermittler des Verfassungsschutzes und Vorgänge um den damals beurlaubten Präsidenten des Landeskriminalamtes Uwe Kranz, dem Verstrickung ins Rotlicht- und Mafiamilieu vorgeworfen wurde.
Im Zuge der Affäre wurden der Geheimschutzbeauftragte des Innenministeriums und weitere Beamte vom Dienst suspendiert. Teile des Ministeriums und des Polizeiapparates gerieten in den Verdacht, über gute Kontakte zum rechten Milieu zu verfügen. Ein langjähriger Verfassungsschutzspitzel aus der Szene Thomas Dienel ließ verlauten, die Daten seien „auf dem Markt“.
Das waren sie offenbar tatsächlich, denn im Frühjahr 2001 wurden sie der Zeitung Freies Wort in Suhl zugespielt. Zugleich tauchten angebliche Sicherungskopien im Ministerium auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelte weiter. Köckert, seit 1999 Innenminister, beging damals wohl den entscheidenden Fehler: Er übergab seinem Pressesprecher Andreas Karmrodt eine CD, um deren Daten mit den Informationen abzugleichen, die der Presse zugetragen worden waren. Seither ist diese CD verschwunden, Karmrodt wurde entlassen. Gegen ihn wird wegen Geheimnisverrats ermittelt.
Der Druck auf Köckert nahm aber nicht allein wegen dieser ungeklärten Affäre zu. Im letzten Jahr wurde der NPD-Landesvizechef Tino Brandt als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnt. Zudem dringen nach wie vor interne Informationen des Verfassungsschutzes durch ein Leck nach außen. Und schließlich wurde der Minister vor wenigen Wochen auf der Autobahn geblitzt, als er bei einer eiligen Privatfahrt mit 190 statt der erlaubten 130 km/h dahinraste.
Während Ministerpräsident Vogel von einer „Treibjagd“ auf Köckert sprach, bezeichneten die Oppositionsparteien SPD und PDS seinen Rücktritt als „überfällig“.
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