: Warten auf die Friedenstruppe
Der Westafrika-Gipfel in Abidjan beschließt die Entsendung einer Eingreiftruppe in die Elfenbeinküste, um dort einen Friedensprozess zwischen Regierung und Rebellen zu ermöglichen. Aber radikale Anhänger der Regierung lehnen das ab
aus Abidjan DOMINIC JOHNSON
Man braucht keinen Militärputsch, um in der Elfenbeinküste eine Stimmung von Militärherrschaft zu erzeugen. Die Regierung von Präsident Laurent Gbagbo, immerhin ein demokratisch gewählter ehemaliger Oppositioneller, schafft das auch so: Appelle an das Volk, sich um „unsere Streitkräfte“ zu scharen, beherrschen Radio und Fernsehen und prangen auf Plakaten in der Metropole Abidjan. „Das Land wird angegriffen, bleiben wir vereint!“, dröhnt die Stimme des TV-Sprechers, begleitet von Bildern entschlossen wirkender Elefanten mit flatternden Ohren und langen Stoßzähnen. „Der Kampf geht weiter! Nur die massive Mobilisierung bringt den Sieg!“
Vor diesem Hintergrund dürfte Westafrikas Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) es nicht leicht haben bei der Umsetzung ihres Beschlusses von Samstagnacht, eine Friedenstruppe von 2.000 Soldaten in die Elfenbeinküste zu schicken. Die Truppe soll den Waffenstillstand vom 17. Oktober zwischen Regierung und Rebellen des Landes überwachen und damit Friedensverhandlungen ermöglichen. Seit dem 19. September, als in Abidjan ein Putschversuch scheiterte, kontrollieren meuternde Soldaten die Nordhälfte der Elfenbeinküste; das nach Nigeria wirtschaftlich wichtigste Land Westafrikas ist geteilt. Bisher überwachen 1.200 französische Soldaten die Waffenstillstandslinie; in etwa zwei Wochen sollen die Westafrikaner sie ablösen.
Ob daraus ein Friedensprozess wird, ist fraglich. Die Meuterer, die sich als „Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste“ (MPCI) unter der Führung des ehemaligen Studentenführers Guillaume Soro organisiert haben, verlangen den Rücktritt Präsident Gbagbos und Neuwahlen unter Führung einer neutralen Übergangsregierung. Damit vertreten sie eine alte Forderung jener Politiker, die von den letzten Wahlen 2000 wegen Zweifeln an ihrer ivoirischen Nationalität ausgeschlossen waren. Die Regierung Gbagbo hingegen sieht sich aufgrund jener Wahlen als demokratisch legitimiert an und will mit den Rebellen höchstens über deren Wiedereingliederung in die Armee reden – und auch das erst, wenn die Ecowas-Truppe sie entwaffnet hat.
Da die Ecowas eine Entwaffnung gar nicht vorhat, sondern im Gegenteil Gbagbo aufrief, die Forderungen der Rebellen ernst zu nehmen, ist Konflikt zwischen Regierung und Friedenstruppe vorprogrammiert. Eine „Union der Patrioten für die totale Befreiung der Elfenbeinküste“ (UPLT), die Jugendmilizen zur Unterstützung der Regierung aufstellt, droht bereits: „Wenn diese Truppe am Flughafen ankommt, gehen wir auf die Landebahn, um sie nicht ins Land zu lassen“, sagte UPLT-Führer Eugž-L’ne Dju am Freitag und kündigte die Bildung von „Sicherheitskomitees“ in der Südhälfte der Elfenbeinküste an. Sollte Gbagbo Verhandlungen mit den Rebellen aufnehmen, würde auch er als Feind angesehen, warnt die Gruppe.
Regierungstreue Milizen haben bereits in einigen Landesteilen Angehörige von Ethnien aus dem überwiegend muslimischen Norden der Elfenbeinküste sowie Nachkommen von Einwanderern aus anderen westafrikanischen Ländern wie Burkina Faso, Mali oder Guinea gejagt und umgebracht. Die Oppositionszeitung Le Patriote druckt Vermisstenanzeigen von „Verschwundenen“. In der südwestlichen Stadt Daloa, die vor zwei Wochen einige Tage lang unter Rebellenkontrolle stand, zogen mit Militärwagen ausgestattete Milizen durch die Häuser und entführten Bewohner, bei denen sie Anzeichen islamischer Religionszugehörigkeit fanden. Über 100 Menschen sollen getötet worden sein; tausende suchten Zuflucht in Moscheen.
Angesichts solcher Vorfälle soll auch der Schutz von Zivilisten zum Aufgabenbereich der Ecowas-Truppe gehören, deren Mitglieder zum Teil aus denselben Ländern kommen werden wie die verfolgten Immigranten. Die Gefahr ist somit groß, dass Hardliner im Regierungslager die Eingreiftruppe als Besatzungsmacht ansieht, die den Kampf gegen die „Terroristen“ behindert. „Wenn die Truppe uns nicht beim Kämpfen hilft, wofür kommt sie dann?“, erregt sich im Hotel die füllige, resolute Küchenchefin beim Radiohören. „Für den Frieden“, antwortet ein kleiner, dünner Angestellter zaghaft. Die Chefin starrt ihn verständnislos an: „Frieden?!“
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