Der Wiederkäufer

Michael Kölmel führte Kinowelt in die Pleite – und sollte ab morgen wieder ihr Chef sein. Doch jetzt sitzt er in Haft

Was war der Mann einem doch sympathisch: hat neben seinem Mathematikstudium in Göttingen noch das Programmkino der Universitätsstadt aufgebaut. Dann 1984 angeblich seinen auch nicht mehr ganz taufrischen Wagen vertickt, um zum ersten Mal vom Kinobetreiber zum Filmverleiher aufzurücken: Für rund 8.000 Mark, wird später kolportiert, habe Michael Kölmel damals gemeinsam mit seinem Bruder Rainer die Kinowelt gegründet – und die Filmrechte an „Gregory’s Girl“ gekauft.

Ein promovierter Mathematiker, der sein Hobby Film zum Beruf macht. – „Wenn Sie Mathematik studiert haben, was bleibt Ihnen da übrig als Beruf“, soll Kölmel einmal gesagt haben. In den nächsten zehn Jahren wird er vom kleinen Nischenunternehmer zu einem der vielen neuen Sterne des Medienbooms, 1998 geht Kinowelt an die Börse. Die ganze Zeit ist der Badener, anders als die anderen Neureichen der schicken Film- und Fernsehwelt, auf dem Teppich geblieben. Stets zweiter Klasse gefahren und überhaupt nicht eingebildet vom plötzlichen Erfolg als Vorstandschef einer millionenschweren Aktiengesellschaft.

Am Montag nun wurde Michael Kölmel (47) in München wegen Fluchtgefahr verhaftet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und der Untreue. Die Verhaftung ist nur der bislang letzte Akt in einem mittlerweile längst absurden Theaterstück: Der Aktienkurs der Kinowelt Medien AG war seit über einem Jahr im Sinkflug, der Konzern hoch verschuldet – im Mai musste der einstige Liebling am Neuen Markt endgültig Insolvenz anmelden.

Michael Kölmel, der wegen seiner ruhigen, sachlichen Art als der Seriöse unter vielen Schaumschlägern galt, ist bereits seit längerer Zeit abgetaucht. Vor Monaten schon hatte der Insolvenzverwalter Michael Kölmel und seinem Bruder Rainer Hausverbot erteilt. Die Münchner Kinowelt-Zentrale durften beide nur noch mit Sondergenehmigung betreten.

Nicht der allgemeine Einbruch der Medienaktien allein wurde den Kölmels zum Verhängnis. Dazu kam ein viel zu schnelles Wachstum der Firma, die neben dem Filmhandel plötzlich auch Kinos betrieb, selbst produzierte und über die Tochter Sportwelt zahlreiche Fußballklubs aus der zweiten und dritten Ligareihe vermarktete. Sowie der Warner-Deal: Um endlich in die Spitzengruppe der deutschen Filmhändler aufzurücken, hatte Michael Kölmel im Sommer 1999 in Hollywood ein ansehnliches Filmpaket eingekauft. Und dabei sogar die TV-Konzerne Kirch und Bertelsmann ausgestochen, die auch hinter dem Warner-Paket her waren. Das führte zu einem absurd hohen Preis von fast 300 Millionen Euro und – für die Kinowelt noch schlimmer – zum Boykott: Weil Kölmel sie überboten hatte, nahmen die Bertelkirch-Sender von RTL bis Pro 7 keinen einzigen der fast 250 Filme ab.

Doch trotz Insolvenz und Hausverbot waren die Brüder alles andere als aus dem Rennen: Ab morgen sollte die Kinowelt neue Besitzer haben – die in Wirklichkeit die alten waren: die Kölmels. Auf die Lösung des Rätsels, wie es Michael Kölmel angestellt hat, den Insolvenzverwalter Wolfgang Ott zu überzeugen, ihm seinen eigenen Laden zurückzuverkaufen, wird man nun einige Zeit warten müssen.

STEFFEN GRIMBERG

medien SEITE 18