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Ein zorniger alter Mann

„Herr Keller arbeitet seit zehn Jahren in enger Koordination fruchtbar mit Herrn Zech zusammen“, sagt der Zeuge Henrik K. Hahm. Der Untersuchungsausschuss wollte nichts Genaueres wissen

„Ihr Alter, bitte“, wiederholt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Immobilien, Hermann Kleen. „Ich bin am 11.12.1925 geboren“, sagt Henrik K. Hahm, „ist jemand älter hier?“.

Der Immobilienkaufmann Henrik K. Hahm ist ein alter und ein zorniger Mann. Vor dem Ausschuss ist er einer der wenigen, die rücksichtslos ihre Meinung sagen ohne zu fragen, ob das künftig ihren Geschäften schaden könnte. An keiner Stelle muss er Erinnerungslücken vorschützen. Dem Ausschuss überreichte er zu Beginn einen ganzen Schnellhefter voller Dokumente. „Wir fühlen uns geschädigt“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Projektentwickler- und Industriemakler-Firma Hahm&Brieger. Und zwar dadurch, dass der Wettbewerb ausgeschaltet wird, wenn der Staat in Bremen Immobilienprojekte vergibt. Das genau ist das Thema des Ausschusses, deswegen ist Hahm als Zeuge geladen, der höchstens mal eine Jahreszahl verwechselt, aber insgesamt mit seinen 76 Jahren hochkonzentriert spricht.

In der Zeitung hat er gelesen, der Chef der landeseigenen Investitionsgesellschaft BIG, Ulrich Keller, habe erklärt, er kenne den Inhaber der Firma Zechbau nur am Rande. Das empört Hahm. „Herr Keller hat seit zehn Jahren in enger Koordination fruchtbar mit Herrn Zech zusammengearbeitet“, sagt Hahm. Das weiß er so genau, weil er selbst am Anfang hin und wieder dabei war – als Geschäftpartner. Und dann kam der Bruch. „Seitdem befinden sich Keller und ich im Clinch.“ Hahm betont, er würde gern den Streit beilegen, um gemeinsam wieder Geschäfte zu machen, aber Keller wolle nicht.

Wie es zu dem Streit kam? Eine lange Geschichte. Deswegen hatte er die Akten dem Ausschuss übergeben, da steht alles drin, schwarz auf weiß. Zum Beispiel hat die Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft der Baufirma Walter Bau, mit der Hahm vertraglich verbunden ist, Anfang dieses Jahres erklärt, über den Ankauf des Investorengrundstückes auf dem Bahnhofsvorplatz könnte man reden, wenn nicht wegen des Mieters Tchibo eine ganz schnelle Vergabe an Zechbau erforderlich wäre. Tchibo hat aber bekanntlich inzwischen entschieden, an der Obernstraße seine Bremer Büros zu konzentrieren, nicht am Bahnhof. Dennoch haben Walter Bau und Hahm keine Chance – sie werden nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen. „Bis zum heutigen Tag wird Zechbau bevorzugt“ – von dem Bremer Spitzenbeamten Keller. „Wir bekommen keine Gelegenheit zum Wettbewerb“. Das zentrale Grundstück am Bremer Hauptbahnhof wird für ein Konsortium um Zechbau reserviert, hat ein Mitarbeiter der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft vor dem Ausschuss bestätigt, obwohl die Gruppe mitgeteilt hat, mangels Mietinteressenten könne sie derzeit nicht bauen.

Diese Aussage könnte ungeheure Tragweite haben, sie stellt die Bedeutung des Ausschusses in Frage: Stimmt es, dass die, deren Filz der Ausschuss untersuchen soll, das Gremium nicht ernst nehmen?

Aber der Ausschuss wehrt den Zeugen Hahm regelrecht ab. Die CDU-Parlamentarierin Catrin Hannken, die oft mit scharfen Fragen dazwischen geht, wenn jemand die Firma Zechbau belastet, fragt den Zeugen Hahm, meldet sich zu Wort. Ob es nicht einen hervorragenden Architektenentwurf gebe, den Zechbau bestellt habe und der nur mit Zechbau realisiert werden könne, fragt sie. Hahm verweist sie darauf, dass kein kompetentes Gremium die Entwürfe – Hahm und die Firma Walter Bau hatten auch einen vorgelegt – sachverständig bewertet hätte. Fast wird es ein Streitgespräch, Hannken verlässt vollkommen ihre Rolle als Mitglied eines Untersuchungsausschusses und widerspricht dem Zeugen: Das Parlament hätte doch über die Entwürfe debattiert. Hahm kann nicht wissen, dass das nicht wahr ist. Und er ist zu höflich, um zu sagen: Architekten-Entwürfe sollten von kompetenten Gremien bewertet werden und nicht von Parlamentariern. Also schweigt er.

Dass die Bebauung des Bremer Bahnhofsvorplatzes „dem Wettbewerb entzogen“ wird, beobachtet Hahm schon seit Jahren. 1997 gab es eine Ausschreibung, als Preis wurde vom Katasteramt 25 Millionen Mark festgelegt. Walter Bau hatte 16 Millionen geboten, falls mit der Zentralbibliothek ein „Frequenzbringer“ als Mieter einziehen würde. Der Phantasiepreis 25 Millionen hatte die Funktion, die Idee von Walter Bau zu verhindern – das hatte Hahm schon damals laut gesagt. Der Firma Walter Bau hat aber Keller schon am 13. Mai 1998 erklärt, dass die Zentralbibliothek für das Zechbau-Projekt Polizeihaus am Wall vorgesehen sei. Gespräche mit Senatoren darüber seien nicht relevant, notierten die Walter Bau-Leute in ihrer Gesprächsnotiz die Worte Kellers (vgl. taz 22.3.1999). „Das war für uns ein Hammer“, erklärte Hahm jetzt dem Ausschuss. Denn damals hatte kein legitimiertes Gremium über den Standort der Bibliothek entschieden. „Keller bestimmt hier die Richtlinien der Politik“, interpretiert Hahm den Vorgang – „im wohlverstandenen Interesse der Firma Zechbau“. Aber für die Stadt sei das „schlicht ein Skandal“.

Das Katasteramt sei doch das sachverständige und unabhängige Gremium für die Preisfestsetzung, widerspricht die Abgeordnete Hannken dem Zeugen. Der zornige alte Mann lässt sich nicht wie andere Zeugen von ihr verunsichern. „Dasselbe Katasteramt schätzte drei Jahre später den Grundstückswert zehn Millionen Mark geringer“, kontert er, „weil es einen Interessenten gab, der hieß Zech.“ In Bremen hat Hahm bei vielen einen schlechten Ruf, weil er Klartext redet. So wie bei der großen Koalitionsmehrheit in diesem Ausschuss. So wenig Rücksicht auf die eigenen Geschäfte kann nur nehmen, wer auf 50 Jahre erfolgreichen Geschäftslebens zurückblickt. Außerhalb Bremens gilt Hahm bei namhaften großen Firmennach wie vor als kompetenter Partner. Klaus Wolschner

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