Lebenslang für Metro-Morde

In Frankreich werden zwei Algerier wegen drei Anschlägen in Paris zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Attentate hatten 8 Tote und 200 Verletzte gefordert

„Dies ist einer der schönsten Tagemeines Lebens“, sagteine Überlebende

PARIS taz ■ „Allah akbar!“, ruft Boualem Bensaid von der Angeklagtenbank im Pariser Justizpalast aus, als er das Urteil vernimmt: „Allah ist groß!“ Der Algerier ist wegen drei Bombenattentaten im Sommer und Herbst 1995 zu „lebenslänglich“ verurteilt worden. 22 Jahre, so entschied das nur mit Berufsrichtern besetzte Spezialschwurgericht am Mittwochabend, muss er auf jeden Fall absitzen. Der zweite Mann auf der Anklagebank, Smain Ait Belkacem, erhielt für eine der Bomben, die er persönlich legte, „lebenslänglich“. Der wuchtige bärtige Mann sackt auf der Angeklagtenbank in sich zusammen.

Bei den drei Bombenattentaten von 1995 starben 8 Menschen (alle in der Metro-Station Saint Michel am 25. Juli), 200 wurden verletzt. Einige Überlebende sind heute schwer behindert. Am Ende des einmonatigen Prozesses vor dem Spezialschwurgericht reagiert eine Überlebende erleichtert. „Dies ist einer der schönsten Tage meines Lebens“, sagt sie einem französischen Journalisten am Mittwochabend.

Die beiden algerischen Terroristen, der 35-jährige Bensaid und der 34-jährige Belkacem, waren 1995 von der Führung der „Bewaffneten islamistischen Gruppen“ (GIA) mit dem Auftrag nach Frankreich geschickt worden, den Terror aus Algerien dorthin zu tragen. Beide hatten schon zuvor in ihrem Land gewütet. Sie rekrutierten Komplizen, bastelten Bomben und organisierten und verübten im Sommer und Herbst 1995 die Serie von Attentaten, zu denen auch die drei gehören, über die jetzt das Spezialschwurgericht in Paris entschieden hat.

Wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ sind beide Männer bereits vor drei Jahren in Frankreich zu zehnjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Bensaid ist zudem bereits wegen des misslungenen Bombenattentats auf einen Hochgeschwindigkeitszug von Paris nach Lyon verurteilt worden.

Die beiden Entsandten aus Algerien waren nicht allein. Ihr „Chef“, ein gewisser Ali Touchent, alias „Tarek“, der die GIA-Terrorkommandos in Europa jahrelang koordiniert hat und der persönlich auch Bomben in Paris gelegt haben soll, entkam den französischen Ermittlern. 1998 meldete die algerische Polizei, dass sie ihn getötet habe. Eine zweite zentrale Figur, der Finanzier und Mitorganisator der Attentatswelle von 1995, Rachid Ramda, sitzt seit sieben Jahren in London in Abschiebehaft.

Im Zuge der langjährigen Ermittlungen vor dem jetzt zu Ende gegangenen Prozess haben beide jetzt Verurteilten umfassende Geständnisse vor Polizei und Untersuchungsrichtern abgelegt und sich teilweise gegenseitig belastet. Vor Gericht zogen sie ihre Geständnisse zurück, behaupteten, sie seien von der Polizei misshandelt worden, und leugneten die Taten.

Dafür, dass Belkacem die Bombe in dem RER gelegt hat, die an der Station „Musée d’Orsay“ platzte, gibt es klare Beweise. Auch Bensaids Beteiligung an zwei der drei Bombenattentate (Musée d’Orsay und Maison Blanche) ist unumstritten, wie in seinem Abschlussplädoyer einer von Bensaids Verteidigern sagte.

Fraglich blieb hingegen die direkte Tatbeteiligung von Bensaid an dem blutigsten der drei Attentate. Jenem von der Metro-Station Saint Michel. Bensaid will an dem fraglichen 25. Juli nicht in Paris gewesen sein.

Auch ein Gendarm, der drei Männer beobachtete, die kurz vor der Explosion ein Paket in der Metro ablegten, konnte Bensaid bei der Polizei und vor Gericht nicht wiedererkennen. Dennoch hatte der Staatsanwalt gefordert, Bensaid als Bombenleger zu verurteilen. Die Berufsrichter hielten das nicht für erwiesen und verurteilten ihn lediglich wegen Komplizenschaft.

DOROTHEA HAHN