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EM.TV schönt weiter

Prozess gegen Exmanager des Neuen Marktes. Haffa-Brüder beteuern Unschuld. Börsenrecht hilft

MÜNCHEN taz ■ Ein Jahr lang drückte sich Exbörsenliebling Thomas Haffa vor Journalisten. Als die Staatsanwaltschaft den EM.TV-Gründer wegen Kursbetrugs und bewusster Bekanntgabe falscher Halbjahreszahlen der Lage seines Medienunternehmens anklagte, schwieg er zu den Vorwürfen demonstrativ. Doch gestern, am ersten Prozesstag im Münchener Landgericht, kehrte Haffa unbeeindruckt in die Öffentlichkeit zurück. Und sofort schönte der einstige Strahlemann, wie gehabt, den Kurs der EM.TV-Aktie: Dieser, erklärte er seinen fünf Richtern, „ist auch heute noch weit über seinem Ausgabepreis“ – „um 300 Prozent“. Damit nehme die Unterföhringer Firma „auf der Rangliste der Unternehmen des Neuen Markts eine der führenden Positionen“ ein.

Manager-Trost

Die Brüder hatten bis November 2000 einen Gewinn von 525 Millionen angekündigt, am Jahresende war es ein Minus von 2,7 Milliarden Mark. Immerhin versuchte Haffa den Aktionären, die er durch den drastischen Kurssturz um viel Geld gebracht hat, Trost zu spenden: „Ich bedauere dies außerordentlich.“ Auch er habe als Anteilseigner unter dem Wertverlust gelitten.

Die Abrechnung mit der Presse überlässt Haffa seinem Verteidiger Rainer Hamm. Der Frankfurter Strafrechtsprofessor half schon Gewerkschaftsboss Klaus Zwickel in Sachen Mannesmann. In manchen Medien seien von seinem Mandanten und dessen mitangeklagtem Bruder, Exfinanzvorstand Florian, „Zerrbilder“ gezeichnet worden, „nachdem zuvor teilweise die gleichen Meinungsmacher sie – ebenso unrealistisch – als unfehlbare Zauberkünstler in den Himmel der Börsenwelt gehoben hatten“. Es würde Stunden dauern, „die zahlreichen Legenden über die Personen der Angeklagten und über den Inhalt der Anklage zu widerlegen“, klagte Hamm.

Die Haffa-Brüder werden vor Gericht vermutlich vom neuen Börsenrecht profitieren, das am 1. Juli in Kraft trat. Ihr Gegenspieler, Staatsanwalt Peter Noll, sagte gestern der taz: „Mit Sicherheit macht die Gesetzesänderung den Prozess nicht einfacher.“ Die Vorsitzende Richterin Huberta Knöringer belehrte die Angeklagten, für eine Verurteilung reiche nicht mehr der bloße Versuch aus, einen Aktienkurs zu manipulieren. Dies werde nur noch als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet. Strafbar ist nach ihren Worten nur noch, wenn tatsächlich die Notierung des Papiers beeinflusst wurde. Doch dies wirft die Staatsanwaltschaft den Haffa-Brüdern gar nicht vor.

Von wegen schöngeredet

Verteidiger Hamm sagte, im Tatzeitraum zwischen 24. August und 15. November 2000 habe die „ziemlich geradlinig abwärts verlaufende Chartkurve keine nennenswerte Richtungsänderung erfahren“. Selbst eine Geldbuße sei nur theoretisch möglich: Die für das neue Gesetz notwendige Verordnung des Finanzministers sei noch nicht erlassen worden. Deshalb bestünden „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“.

Aktionärsschützer meinen dagegen, die Haffas hätten den Kurs illegal beeinflusst. Anlegeranwalt Klaus Rotter: „Der Aktienkurs fiel schließlich in den Tagen nach der verspäteten Pflichtmitteilung um über 60 Prozent.“

Die Anklage wirft Florian Haffa fünf und Thomas Haffa vier Fälle der falschen Darstellung der Unternehmenslage vor. Doch Thomas Haffa beteuert selbstsicher seine Unschuld: Er habe die Lage des Unternehmens „zu keiner Zeit wissentlich falsch dargestellt“. OLIVER HINZ

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