: Neue Schlappe für Westerwelle
Nordrhein-westfälische FDP verschiebt Parteitag. Personalvorschlag des Bundesvorsitzenden passé. Statt friedlicher Neuwahl gibt es eine Kampfabstimmung. Möllemann-Freund Karsli: Westerwelle hat mich unterstützt und war über Flugblatt informiert
aus Köln PASCAL BEUCKER
Die nordrhein-westfälische FDP ist weiter verzweifelt bemüht, den Scherbenhaufen zu beseitigen, den ihr einstiger Frontmann hinterließ. Doch so richtig voran kommt sie damit nicht. „Wenn Möllemann jetzt noch in Kur fährt, zieht sich das weiter hin“, seufzt Landesvize Ulrike Flach. Der für Samstag geplante Sonderparteitag wurde verschoben – auf Ende November oder Anfang Dezember. Auch die Entscheidung über ein Parteiausschlussverfahren gegen Jürgen Möllemann hat der Landesvorstand auf den 25. November vertagt.
Flach ist inzwischen nicht mehr die einzige Anwärterin auf die Möllemann-Nachfolge im Landesvorsitz. Denn seit Montagnacht gilt das Personalpaket nicht mehr, das Guido Westerwelle für die Möllemann-Nachfolge vor vierzehn Tagen stolz geschnürt hatte – eine erneute Schlappe für den Bundeschef in seinem eigenen Landesverband. Flach als Landeschefin, ihr Mitstellvertreter Andreas Pinkwart als FDP-Bundesvize – das war der Deal. Doch davon will Pinkwart nichts mehr wissen. Er hat Flach seine Unterstützung entzogen, weil sie ihn nicht ausreichend unterrichtet habe über ihr Gespräch am 11. September mit Möllemann, in dem dieser über seine geplante Flyer-Aktion informierte. Ob er nun selber gegen Flach antreten wird, ließ Pinkwart offen. Eine Kampfabstimmung wird es jedoch auf jeden Fall geben: Der Wuppertaler FDP-Kreisvorsitzende Rolf Köster hat seinen Hut bereits in den Ring geworfen. „Westerwelle hat das laufen lassen und sich nicht für Flach stark gemacht“, berichteten Teilnehmer der Nachtsitzung in Düsseldorf.
Nicht mehr dem NRW-FDP-Vorstand angehören wird Andreas Reichel. „Aus beruflichen Gründen“, so der Möllemann-Vertraute, wolle er nicht mehr als Schatzmeister kandidieren.
Unterdessen hat sich auch Möllemann-Freund Jamal Karsli mal wieder zu Wort gemeldet – mit scharfen Angriffen gegen Westerwelle. „Der Parteivorsitzende der FDP weiß mehr, als er zugibt“, sagte der wegen antisemitischer Ausfälle umstrittene fraktionslose Landtagsabgeordnete. Bei seinem Versuch in die FDP einzutreten, mit dem Ende April die Antisemitismusdebatte begann, „konnte ich nicht nur auf die Unterstützung Jürgen Möllemanns setzen, sondern hatte auch die Zustimmung Guido Westerwelles“, so Karsli. Erst aufgrund des öffentlichen Drucks habe der dann nichts mehr davon wissen wollen. Auch in der Affäre um Möllemanns Anti-Friedman-Flyer sei Westerwelle „in alle Vorgänge eingeweiht“ gewesen. So wären auf der Veranstaltung am 6. September in Neuss, auf der Möllemann ausführlich seine Flugblattpläne erläuterte, zahlreiche FDP-Mitglieder anwesend gewesen, „die unverzüglich Westerwelle Bericht erstatteten“, behauptet der Deutsch-Syrer, der seinerzeit persönlich vom Podium aus von Möllemann begrüßt worden war.
Über den aktuellen Gesundheitszustand Möllemanns gibt es unterschiedliche Berichte. Von seinem Heimatort Münster habe er sich in ein Sanatorium begeben, berichten Vertraute. Aber Drohungen kann er immer noch ausstoßen – egal wie krank er ist. „Sobald mein Gesundheitszustand es erlaubt“, so kündigte der Ex-Chef seinem FDP-Landesvorstand in einem „Offenen Brief“ an, werde er „für ein klärendes Gespräch zur Verfügung stehen“. Dabei solle es „sehr konkret um meine Beiträge und die anderer führender Liberaler zum Bundestagswahlkampf und anderen Wahlkämpfen gehen“. Und in Richtung von Bundesschatzmeister Günter Rexrodt giftete Möllemann: „Als Liberaler sehe ich in Kommissar Rex nicht den Schutzpatron des Rechtsstaats.“
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