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Haffa-Brüder stecken in der Defensive

Die EM.TV-Gründer können ihre angeblichen Verträge im Betrugsprozess nicht nachweisen. Leo Kirch kommt Montag

MÜNCHEN taz ■ Sein rotes Notizbuch hat Florian Haffa gestern in Verlegenheit gebracht. Das Münchner Landgericht behandelte das Heft des früheren EM.TV-Finanzvorstands gestern als erstes Beweismittel im Strafprozess gegen die zwei Gründer des Medienunternehmens.

Bisher hatte der Angeklagte seine persönlichen Gesprächsnotizen immer wieder als Beleg für einen angeblichen mündlichen 60-Millionen-Mark-Vertrag mit dem damaligen Medienmogul Leo Kirch über das Kinder- und Jugendprogramm Junior TV angeführt. Damit ist nun wohl Schluss. Als sich die Vorsitzende Richterin Huberta Knöringer von ihm zeigen lassen wollte, wo er in dem Heft den Vertragsabschluss festgehalten habe, musste Florian Haffa die Segel streichen: „Aus dem Notizbuch ergibt sich das hier nicht.“ Das dürfte für ihn umso schlimmer sein, weil bekannt ist, dass er dort sonst alles mitschreibt.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn und seinen älteren Bruder, Exfirmenchef Thomas Haffa, unter anderem falsche Angaben über den Umsatz und den Gewinn im ersten Halbjahr 2000 veröffentlicht zu haben. So hätte EM.TV das Lizenzgeschäft mit dem Kirch-Konzern gar nicht verbuchen dürfen, weil es erst Ende September 2000 unterschrieben worden sei. Doch die Haffa-Brüder behaupten, der Vertrag sei bereits am 13. Juni mündlich geschlossen worden. Verträge per Handschlag waren laut Thomas Haffa in der Medienbranche vollkommen üblich: „Als ich noch bei Kirch gearbeitet hab, gab es Verträge, die wurden fünf Jahre gelebt und waren nicht ausgearbeitet und unterschrieben.“ Richterin Knöringer kündigte an, sie werde demnächst wohl noch öfter auf das rote Notizbuch zurückgreifen. Am kommenden Montag werden die ersten Zeugen auftreten: Leo Kirch und sein einstiger Stellvertreter Dieter Hahn. Die Vertragspartner sollen helfen, den Junior-TV-Deal zu klären.

Gegenüber der Staatsanwaltschaft stützte Kirch bisher eher die Version der Haffas. Immerhin arbeitet er auch schon seit Jahrzehnten mit Thomas Haffa zusammen und hat ihn früh zu seinem Hätschelkind gemacht. Keiner der 13 bisher geladenen Zeugen hat bislang abgesagt.

Die Staatsanwaltschaft hofft dagegen vor allem auf die Aussage des ProSiebenSat.1-Chefs Urs Rohner, den das Gericht nachladen will. Rohner ist mit den Haffas zwar per Du, aber widerspricht ihnen bei dem angeblichen Geschäft mit der Fernsehserie „Die Simpsons“. Die EM.TV-Brüder behaupten, Rohner habe die Serie für Pro Sieben gekauft – mündlich natürlich. Der Senderchef hat das bislang bestritten. Thomas Haffa konnte vor Gericht nicht erklären, warum er dann nicht auf den Vertrag gepocht hat, als der letztlich nicht zum Tragen kam.

Die Haffas geraten so immer mehr in Bedrängnis. Zumindest an den drei Verhandlungstagen dieser Woche scheint es ihnen gründlich misslungen zu sein, den Vorwurf zu entkräften, dass sie die Lage ihres Unternehmens monatelang zu positiv dargestellt haben. OLIVER HINZ

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