piwik no script img

Aus dem Bett direkt nach Belgrad

Serbische Roma-Familie ohne Gepäck abgeschoben. Innensenator verspricht viel, Ausländerbehörde hält wenig

Die Polizei kam am Mittwoch morgen um 6 Uhr und riss den 44-jährigen Miroslav A. und seine drei Kinder aus dem Schlaf. Wenig später befand sich die serbische Roma-Familie, die seit mehr als einem Jahrzehnt in Berlin lebte, ohne Gepäck im Flugzeug in den Belgrader Winter.

Für den 13-jährigen Sohn sowie die 14- und 17-jährigen Töchter, die kurz vor dem Abschluss ihrer Schulausbildung standen, bedeutet die Abschiebung auch eine Trennung von der Mutter. Die hatte erst zu Wochenbeginn eine Aufenthaltsbefugnis bis zum Frühjahr erhalten. Auch für Miroslav A. stellt die Rückkehr nach Belgrad eine „Katastrophe“ dar, so Renate Gemkow von der PDS-Flüchtlingsberatungsstelle. Ärztliche Atteste bescheinigen dem 44-Jährigen schwere posttraumatische Belastungsstörungen, Suizidgefahr und Depression aufgrund traumatischer Kriegserlebnisse. Für Rechtsanwältin Andrea Wittkowski-Neumann, die vor dem Oberverwaltungsgericht Abschiebeschutz und eine Aufenthaltsbefugnis für Vater und Kinder beantragt hatte, ist das Vorgehen der Ausländerbehörde „ein Skandal“. Informationen aus der Innenverwaltung, wonach A. als verurteilter Straftäter abgeschoben worden sei, seien „definitiv falsch“, so Wittkowski-Neumann. Die Familie werde in ein Land abgeschoben, in dem nach Feststellung mehrerer Gerichte Roma nach wie vor schwersten Diskriminierungen ausgesetzt seien.

Die Abschiebung ist kein Einzelfall. So wird seit Anfang Oktober auch der 17-jährige serbische Roma Danijel R. im Abschiebegewahrsam Köpenick festgehalten – trotz einer Weisung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), keine Minderjährigen mehr in Abschiebehaft zu nehmen. Die aufenthaltsrechtliche Situation serbischer Roma, die teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland leben, hat sich seit dem Inkrafttreten des Abschiebeabkommens zwischen Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien am 1. November drastisch verschlechert. Körting nehme die Aufforderung des Abgeordnetenhauses, sich für eine Bleiberechtsregelung für seit langem in Deutschland lebende serbische Roma einzusetzen, nicht ernst, kritisiert Georg Classen vom Flüchtlingsrat. „Es wäre für Körting ein Leichtes, die Ausländerbehörde anzuweisen, Abschiebungen serbischer Roma auszusetzen“, so Classen. Zumal Körting mehrfach zugesichert hatte, sich bei der Konferenz der Länderinnenminister im Dezember für eine bundeseinheitliche Bleiberechts-Regelung einzusetzen. HEIKE KLEFFNER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen