Vorhang frei für Kongos Opposition

In der Demokratischen Republik Kongo fordert die Zivilgesellschaft Konsequenzen aus den Erkenntnissen einer UN-Kommission über die illegale Ausbeutung der natürlichen Reichtümer des Landes. Die Kirchen übernehmen dabei rhetorisch die Führung

von FRANÇOIS MISSER

„Skandal an der Dorfspitze“ heißt die neueste Theatersensation in Kinshasa. Satirische Szenen über Krieg und Rohstoffplünderung, gespielt von einer 15 Personen starken Schauspielertruppe, begeistern die Menschen in der kongolesischen Hauptstadt und führen ihnen drastisch die Frage vor, die sie derzeit am meisten bewegt: Wohin gehen die Bergbauprodukte und natürlichen Reichtümer eines der potenziell reichsten und tatsächlich ärmsten Länder der Welt?

Mit der Theaterinitiative will die Menschenrechtsgruppe „Stimme der Stimmlosen“ (VSV) ihre Forderung nach Gerichtsverfahren gegen die „Ausplünderer“ des Kongo unterstreichen, erklärt VSV-Präsident Floribert Chebeya. Er reagiert damit auf den neuesten Bericht der UN-Untersuchungskommission über die illegale Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Demokratischen Republik Kongo.

Der am 21. Oktober veröffentlichte Bericht legt detailliert da, wie die Ausplünderung des Kongo durch „Elite-Verbrechernetzwerke“ auch nach dem Abzug der Armeen Simbabwes und Angolas auf Regierungsseite sowie Ugandas und Ruandas auf Rebellenseite weitergeht. Verantwortliche in diesen Ländern sowie im Kongo werden namentlich genannt, ebenso die beteiligten ausländischen Firmen, und es werden UN-Strafmaßnahmen gefordert. Der UN-Sicherheitsrat diskutierte darüber am 5. November, aber er traf keine Entscheidung, und das weitere Vorgehen ist unklar.

In Ermangelung konkreter Reaktionen des Landes tritt nun die Zivilgesellschaft des Kongo auf den Plan. Der geachtete katholische Erzbischof von Kisangani, Laurent Monsengwo, nannte auf einer Pressekonferenz in Brüssel die „illegale und anarchische Ausbeutung“ seines Landes einen „moralischen und politischen Skandal“ und verdammte die „korrupte, gierige und unverantwortliche politische Klasse“ des Kongo. Der katholische Kardinal Frédéric Etsou hat im Namen aller Religionsgemeinschaften den Rücktritt hoher Regierungsmitglieder gefordert, die in dem Bericht im Zusammenhang mit dubiosen Rohstoffgeschäften genannt werden: Sicherheitsminister Mwenze Kongolo, Präsidialminister Augstin Katumba Mwanke, Planminister General Denis Kalume.

In den Bergbaugebieten unter Kontrolle der Regierung von Präsident Joseph Kabila sind die Konsequenzen noch drastischer. Ende Oktober demonstrierten in Lubumbashi, Hauptstadt der reichsten Bergbauprovinz Katanga, streikende Lehrer für die Zahlung ausstehender Gehälter und skandierten: „Gebt uns unser Germanium!“ Sie nahmen Bezug auf ein von der internationalen Rüstungsindustrie nachgefragtes Mineral, das sich in den Abraumhalden der stillgelegten Kupfer- und Kobaltminen bei Lubumbashi findet. Die US-amerikanisch-finnische „OM Group“ beutet es in einem Joint-Venture aus, ohne ihren kongolesischen Partner zu bezahlen, die Staatsfirma Gécamines. Eine Demonstration von Gécamines-Arbeitern Anfang November wurde verboten. Ende letzter Woche kam es zu Unruhen auf einem Markt in Lubumbashi mit fünf Toten.

In der zentralen Provinz Kasai mussten die Behörden Anfang November angesichts wachsender Unruhe die Leitung der staatlichen Diamantenfirma Miba entlassen. Die Miba-Konzessionen um die Provinzhauptstadt Mubji-Mayi, die zu den reichsten Diamantenminen der Welt gehören, sind laut UNO an Freunde Kabilas und Simbabwer vergeben worden. Amnesty international berichtete vor kurzem, dass kongolesische und simbabwische Soldaten dort immer wieder illegale Diamantenschürfer töteten.

Der UN-Bericht wirft auch einen Schatten auf die in Südafrika laufenden Verhandlungen zwischen Kongos Kriegsparteien über eine friedliche Teilung der Macht. Olivier Kamitatu, Generalsekretär der nordkongolesischen Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), fordert den Ausschluss aller im Bericht genannten Personen aus den angepeilten Übergangsinstitutionen. Da alle Kriegsparteien von der UNO kritisiert werden, wachsen ohnehin Zweifel daran, wie eine Einigung zwischen plündernden Rebellen und raubender Regierung über die Teilung der Macht der Bevölkerung des Kongo helfen soll.

Die Regierung reagiert empört auf die Vorwürfe der zivilen Opposition. Kardinal Etsou „manipuliert“ die öffentliche Meinung, schrieb die Kabila-treue Tageszeitung L’Avenir. Kommunikationsminister Kikaya Bin Karubi verurteilte im Fernsehen „die politische Lynchjustiz und die mediale Knüppelung der Regierung seit der Veröffentlichung des Berichts“. Exaußenminister Abdoulaye Yerodia nannte den UN-Bericht eine Fälschung vom Kaliber der angeblichen Massengräber von Timisoara in Rumänien kurz vor dem Sturz des dortigen Diktators Nicolae Ceaușescu 1989 und warnte: „Wer versucht, die Revolution von Laurent-Désiré Kabila zu liquidieren, wird auf den Widerstand all jener stoßen, die daran beteiligt waren.“

Peinlich wird es auch für die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, deren Einschätzung, wonach sich die Qualität des Regierungshandelns im Kongo verbessere, vom UN-Bericht verrissen wird. Der zuständige Politiker für das 1,7 Milliarden Dollar umfassende Kongo-Wiederaufbauprogramm der Weltbank ist Planminister Kalume, der im Bericht als ein Mitverantwortlicher für die Ausplünderung des Landes genannt wird.