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Kaltblütiger Mord im Kibbuz

Bei einem Anschlag auf einen Kibbuz durch Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden werden fünf Menschen getötet. Die Bewohner unterhielten immer gute Beziehungen zu ihren arabischen Nachbardörfern. Israels Regierung droht mit rascher Vergeltung

aus Jerusalem ANNE PONGER

Ein Anschlag im Kibbuz Metzer, zu dem sich die Al-Aksa-Brigaden der Fatah-Miliz Tansim bekannten, hat gestern im Friedenslager und in der sozialistischen Kibbuzbewegung Entsetzen und Unverständnis ausgelöst. Der Attentäter war kurz vor Mitternacht in das landwirtschaftliche Kollektiv an der grünen Linie östlich von Hadera und Netanja eingedrungen, hatte zwei Spaziergänger sowie eine Frau und ihre vier und fünf Jahre alten Söhne in ihren Betten erschossen und war entkommen. Israels Verteidigungsminister Schaul Mofas kündigte rasche Vergeltung an.

Der 1953 von südamerikanischen Einwanderern gegründete Kibbuz hatte stets herzliche Beziehungen zu den arabischen Nachbardörfern unterhalten und war ein Beispiel für friedliche Koexistenz zwischen Juden und Arabern. Die linkssozialistische Bewegung „Schomer Haza’ir“, der der Kibbuz Metzer angehört, tritt für Rückzug auf die Grenzen von 1967 und einen unabhängigen Palästinenserstaat ein. Der Kibbuz war bereit, eigene Felder zu opfern, damit palästinensische Dörfer auf der östlichen Seite der grünen Linie durch die derzeitige Errichtung einer trennenden Sicherheitszone nicht geschädigt werden.

Der Anschlag fiel zusammen mit dem Beginn von Gesprächen zwischen der Palästinenser-Verwaltung und der Islamisten-Organisation Hamas in Kairo, deren Ziel ein Ende von palästinensischen Terroranschlägen in Israel vor den Wahlen im Januar sein sollte. Die Fatah, an deren Spitze der Chef der Autonomiebehörde Jassir Arafat steht, hatte sich als moderate Kraft dargestellt und den Eindruck vermittelt, als habe sie sich zur zeitweiligen Einstellung von Anschlägen innerhalb Israels durchgerungen.

Die Bekennermeldung der Al-Aksa-Brigaden nach der Mordserie im Kibbuz Metzer beschämt Arafat und gibt Anlass zu der Frage, worüber in Kairo noch verhandelt wird. Die Autonomieverwaltung verurteilte den Anschlag scharf. Arafat meldete, er werde eine Kommission einsetzen, um zu untersuchen, ob Fatah-Mitglieder die Gespräche in Kairo mit dem Anschlag in Metzer torpedieren wollten.

Der Anschlag zeigt erneut, dass die Autonomiebehörde nicht mehr funktioniert und Arafat nicht mehr die Kontrolle hat. Bereits am Sonntagnachmittag hatten Sicherheitskräfte einen Bombenanschlag in Israel vereitelt, als sie neben dem Kibbuz Metzer ein palästinensisches Auto anhielten, das gleich darauf explodierte. Die beiden Insassen wurden durch den Sprengsatz getötet. Es wurde für möglich gehalten, dass dieselbe Terrorzelle für die Planung beider Anschläge verantwortlich war.

In der Palästinenserstadt Nablus war am Sonntag ein 15-jähriger Junge festgenommen worden, der nach israelischen Angaben auf dem Weg zu einem Selbstmordanschlag war, während in Hebron ein Hamas-Aktivist verhaftet wurde, der dem Vernehmen nach wegen Entsendung von Selbstmordattentätern auf der Fahndungsliste stand. In der Nacht zu Montag griffen israelische Kampfhubschrauber in der Stadt Gaza ein Gebäude mit Raketen an und verletzten drei Palästinenser. Bei dem Gebäude soll es sich um eine Fabrik zur Herstellung von Mörsergranaten gehandelt haben.

Am Montagabend traten alle Regionalverwaltungen von Orten entlang der grünen Linie mit Vertretern der Ministerien für Verteidigung und Innere Sicherheit zu einer Notstandssitzung zusammen, um über Schutzmaßnahmen zu beraten, solange Trennzaun und Sicherheitszone zwischen Israel und den Palästinensergebieten nicht fertig gestellt sind.

Die Kibbuzbewegung erklärte, sie werde sich durch den Anschlag nicht von ihrem Kurs der Koexistenz mit den Nachbarn abhalten lassen.

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