: Rätsel um Bin Laden
Experten bejahen Echtheit des Tonbands, wollen aber anonym bleiben. Zusammenhang mit Irakkrieg vermutet. Angst vor neuen Anschlägen
KAIRO taz ■ Erste Analysen aus den USA besagen, dass er es ist. Es sei wahrscheinlich, dass die Stimme auf einer am Dienstag veröffentlichten vierminütigen Tonbandaufzeichnung tatsächlich Bin Laden gehört. Das berichteten zwei namentlich nicht genannte Offizielle amerikanischen Fernsehstationen. Das Band werde allerdings weiter elektronisch nach so genannten voice prints untersucht.
Seit Dienstagabend strahlt al-Dschasira fast stündlich die ihm zugespielte Tonbandaufnahme aus. Die Stimme heißt darin die Anschläge auf das Theater in Moskau, auf die Diskothek auf Bali, die Synagoge in Tunesien, auf US-Soldaten in Kuwait und den französischen Tanker im Jemen gut, ohne direkt die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Ist das Band authentisch, wäre dies der bisher deutlichste Beweis dafür, dass der Chef des Al-Qaida-Netzwerks noch lebt. Das würde die unterschiedlichen Spekulationen beenden, ob Bin Laden tatsächlich aus Afghanistan entkommen ist. BND-Chef August Hanning hatte erst letzte Woche erklärt, dass der meistgesuchte Mann der Welt noch am Leben sei. Auch der Chef von Interpol, Ronald Noble, sagte vor kurzem, Bin Laden sei „wohlauf und am Leben“.
Pakistans Präsident Pervez Musharraf und sein afghanischer Amtskollege Hamid Karsai waren dagegen in den letzten Wochen immer wieder mit der These an die Öffentlichkeit getreten, dass der Terrorchef tot sei. Selbst der Antiterrorchef des FBI, Dale Watson, hatte Bin Laden für tot erklärt.
Auf dem neuen Band warnt der Sprecher neben Großbritannien, Frankreich und Italien auch Deutschland davor, weiterhin die USA zu unterstützen. Bei den Geheimdiensten fürchtet man jetzt, dass das Band der Vorspann eines weiteren großen Anschlags sein könnte.
Interessant ist auch, dass die Stimme auf dem Band auch darauf Bezug nimmt, was „Bush, der Pharao unseres Zeitalters, mit den Söhnen des Irak macht“. Bin Laden habe stets die Konfrontation mit dem Irak als ein Beispiel für den Kampf mit den Ungläubigen genannt, sagt der US-Terrorexperte Daniel Benjamin. Auch andere US-Terrorexperten vermuten, dass Bin Ladens erneutes Auftauchen mit dem bevorstehenden Krieg im Irak zu tun haben könnte. Sie glauben, dass Bin Laden im Fahrwasser des Krieges wieder erneut Bedeutung gewinnen will. Dieses Argument lässt sich aber auch umdrehen. So kommt das Band Washington bei der Mobilmachung gegen den Irak nicht ungelegen. KARIM EL-GAWHARY
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