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Trotziges Einlenken des Irak

Einen Tag nach der Annahme der Sicherheitsratsresolution durch den Irak erscheint die Kriegsgefahr kaum geringer geworden zu sein. Die USA und Großbritannien reagieren skeptisch und setzen den Truppenaufmarsch in der Golfregion unvermindert fort

von BERND PICKERT

Einen Tag nach der Annahme der UN-Sicherheitsratsresolution durch die irakische Regierung sind die internationalen Reaktionen verhalten. Mit einem von Beschimpfungen der US-Regierung und des als „Lakaien“ bezeichneten britischen Premierministers Tony Blair geprägten Schreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte der irakische Außenminister Naji Sabri Ahmed am Mittwoch zu erkennen gegeben, dass der Irak die UN-Resolution von vergangener Woche annehmen und die Inspektoren ins Land lassen werde.

Im Einzelnen schreibt Sabri Ahmed: „Wir sind begierig, sie (die Inspekteure) so schnell wie möglich ihre Pflichten im Rahmen des Völkerrechts erfüllen zu sehen. Wenn sie das professionell und gesetzestreu tun, ohne vorsätzliche Absichten, dann werden die Lügen der Lügner der öffentlichen Meinung bewusst werden und das erklärte Ziel des Sicherheitsrats wird erreicht werden. Es wird dann die gesetzmäßige Pflicht des Sicherheitsrats sein, die Blockade und alle anderen ungerechten Sanktionen gegen den Irak aufzuheben.“

In dem Brief tauchen allerdings die Worte „annehmen“ oder „akzeptieren“ nicht auf – vielmehr heißt es, der Irak werde mit der Resolution „umgehen“ („deal with“) und den Inspekteuren die Möglichkeit geben, sich zu überzeugen, dass es eine Unterstellung sei, der Irak habe während der vierjährigen Abwesenheit der Inspekteure an irgendwelchen Programmen zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen gearbeitet. Bei all diesen Vorwürfen handele es sich um vorsätzliche Fälschungen.

Der Brief kündigt auch nicht an, dass der Irak tatsächlich gewillt sei, bis zum 8. Dezember die von der Sicherheitsratsresolution verlangte „detaillierte und vollständige“ Liste über seine Waffenprogramme und Produktionsstätten zu liefern. Vielmehr beharrt der irakische Außenminister weiterhin darauf, der Irak verfüge nicht über derartige Programme. Außerdem kündigte Sabri Ahmed an, einen weiteren Brief an Kofi Annan schreiben zu wollen, in dem er Verstöße der Sicherheitsratsresolution gegen das Völkerrecht, die UN-Charta und frühere Resolutionen auflisten wolle.

Die US-Regierung zeigte sich ob der unklaren Formulierungen skeptisch. Ein führender Mitarbeiter des Außenministeriums sagte laut Reuters, der Brief werde genau geprüft, um herauszufinden, ob der Irak tatsächlich ja sage. Eine Zustimmung zu der Resolution war der erste Schritt, den Irak tun musste, um nicht durch Verletzung der Bestimmungen die Krisensitzung des Sicherheitsrats auszulösen, bei der die USA den Beginn militärischer Aktionen fordern würden.

Bei einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush bemühte sich Kofi Annan am Mittwoch, dessen Kriegsbestrebungen im Zaume zu halten. Zwar hätte die US-Regierung stets ihr Recht betont, auch allein militärisch gegen den Irak vorgehen zu wollen, sollte Saddam Hussein den US-amerikanischen Vorstellungen von Entwaffnung nicht Genüge tun. Doch hoffe er, sagte Annan, dass Bush die vielen Umfragen zur Kenntnis nehme, in denen die große Mehrheit der US-Amerikaner einen Alleingang der USA ablehnen und stattdessen auf Kooperation innerhalb der UNO setzen. „Mir scheint, dass sich in der Abrüstungsfrage derzeit alle einig sind“, sagte Annan weiter: „Das Thema ist Abrüstung. Ein Regimewechsel steht nicht auf der Tagesordnung.“

US-Präsident Bush hingegen betonte eine harte Haltung der US-Regierung. „Es gibt keine Verhandlungen mit Saddam Hussein. Die Zeiten sind lange vorbei“, sagte Bush und bekräftigte, dass die US-Regierung die weit reichenden Forderungen der Resolution minutiös befolgt sehen wolle. Wenn der Irak die Bestimmungen der Resolution verletze, kündigte Bush null Toleranz an. „Ich sage es so deulich, wie ich kann: Wir werden keinerlei Täuschung, Ablehnung oder Verzögerung dulden. Punkt.“

Auch die britische Regierung gab sich nur verhalten optimistisch. „Wir müssen wachsam bleiben“, sagte der britische Außenminister Jack Straw, „Iraks Absichten ändern sich ständig.“ Auch Straw kündete noch einmal „ernsthafte Konsequenzen“ an, sollte sich der Irak auch nur Teilen der Bestimmungen aus der Resolution entziehen wollen. Straw ebenso wie Kofi Annan betonten erneut, es sei offenbar erst die Androhung von Gewalt notwendig gewesen, damit der Irak sich erneut auf die Arbeit der Inspekteure einlässt und Kooperationsbereitschaft zeige.

Derweil geht der Aufmarsch US-amerikanischer Truppenkontingente in der Golfregion unvermindert weiter.

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