: Fischer: Die Rechnung, bitte!
Das Nein zum Irakkrieg hat seinen Preis. Eine Woche vor dem Nato-Gipfel in Prag zahlt die Bundesregierung die nächste Rate – und befürwortet eine Nato-Eingreiftruppe
BERLIN taz ■ Geht es um das deutsch-amerikanische Verhältnis, gilt mehr noch als sonst in der Politik: Der Weg zwischen Entgegenkommen und Widerstand ist ein schmaler Grat. Gestern im Bundestag machte Außenminister Joschka Fischer sich auf einen ebensolchen Pfad – und stellte damit einmal mehr unter Beweis, wie berechtigt sein Ruf als Fleisch gewordener Balanceakt ist. Aktueller Streitpunkt: Die Gründung einer schnellen Eingreiftruppe der Nato mit 21.000 Mann.
Die Regierung von US-Präsident George W. Bush hatte beim informellen Nato-Gipfel in Warschau kurz nach der Bundestagswahl deutlich gemacht, wie sehr ihr eine solche Truppe am Herzen liegt. Sie sieht darin das entscheidende Instrument, um die bisher auf Verteidigungsaufgaben zugeschnittene Allianz am globalen Kampf gegen den Terror zu beteiligen. Deutschland, aber auch Frankreich hatten damals deutlich verhalten reagiert. Beiden europäischen Regierungen liegt am Aufbau einer EU-gestützten Eingreiftruppe, und sie befürchten Konkurrenz durch das militärisch deutlich potentere Nordatlantik-Bündnis.
Joschka Fischer stellte nun in seiner Regierungserklärung zum bevorstehenden Nato-Gipfel in Prag den Amerikanern die Erfüllung ihres Wunsches in Aussicht. Gleichzeitig knüpfte er die Bescherung an umfängliche Bedingungen. Je nach Standpunkt kann man darin eine weitere Rate sehen, mit der die Deutschen den Preis für ihr Nein zum Irakkrieg abstottern – oder den geschickten Versuch, den Zahltag hinauszuzögern, bis der Gläubiger nicht länger auf der Eintreibung der Schuld besteht.
Bundesverteidigungsministers Peter Struck (SPD) hatte bereits anlässlich seines Besuchs im Pentagon seinem amerikanischen Kollegen Donald Rumsfeld signalisiert, dass die Deutschen ihre Einwände gegen die Nato-Truppe zurückstellen würden. Rumsfeld ist in der US-Administration die treibende Kraft hinter der Forderung nach einer militärisch aktiveren Nato. „Wenn die Nato keine Truppe hat, die schnell und agil ist, dann wird sie in der Welt des 21. Jahrhunderts nicht viel zu melden haben“, warnte er in Warschau. Fischer nannte die Eingreiftruppe jetzt zurückhaltend „einen konstruktiven Vorschlag“. Außerdem betonte er den provisorischen Charakter des Vorhabens, indem er vom „Plan für einen Auftrag zur Ausarbeitung eines Konzeptes“ sprach. Im Klartext: zwischen Absicht und Umsetzung liegen auch nach Fischers Ansicht noch reichlich viele Einzelschritte.
Darüber hinaus stellte der Deutsche einen Drei-Punkte-Kriterienkatalog auf: „Entscheidungen über Einsätze dieser Truppe müssen dem Nato-Rat vorbehalten bleiben. Eine deutsche Beteiligung ist aufgrund der geltenden Rechtslage nur mit vorheriger Zustimmung des Bundestages möglich. Und das Vorhaben muss mit dem Aufbau europäischer Krisenreaktionskräfte im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vereinbar sein, Doppelungen sollten ausgeschlossen werden.“ Donald Rumsfeld, für seine Ungeduld bekannt, dürfte über Fischers Unterstützung nicht nur erfreut sein. PATRIK SCHWARZ
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