piwik no script img

Tadel für Abschieber

Gericht verhindert Ausweisung eines Mannes, dessen Ehefrau eine Risikoschwangerschaft hat. Konflikt auch innerhalb der Ausländerbehörde

von ELKE SPANNER

Das Misstrauen breitet sich aus. Nicht nur Flüchtlinge und deren AnwältInnen verweisen immer wieder auf schlechte Erfahrungen mit der Ausländerbehörde. Selbst das Hamburgische Verwaltungsgericht hat dieser jetzt in einem Urteil vorgehalten, sich nicht an Zusagen oder mit dem Gericht abgesprochene Regeln zu halten. Der Tadel fällt unmissverständlich aus: Der Kammer sei bekannt, heißt es in dem Beschluss, dass sich die Behörde nicht gehindert sehe, Ausländer „auch dann in Abschiebegewahrsam zu nehmen, wenn sie dem Gericht mitgeteilt hat, ein konkreter Abschiebetermin stehe noch nicht fest“.

Anlass der Entscheidung ist der Fall des Ehepaares Nenad und Mevljuda S., in dem das Gericht dem Treiben der Ausländerbehörde Einhalt gebot. Die 31-Jährige ist schwanger. Es ist nicht ihre erste Schwangerschaft, und bei den früheren hatte es zum Teil schwer wiegende Komplikationen gegeben. Obwohl Mevljuda S. besonders auf die Unterstützung ihres Mannes angewiesen ist, wollte die Ausländerbehörde diesen des Landes verweisen.

Er müsse in sein Herkunftsland ausreisen, um dort ein reguläres Visumverfahren für die Rückkehr zu durchlaufen. Über Wochen verweigerte das Amt Nenad S. eine Duldung, er würde schließlich demnächst ohnehin abgeschoben. Mangels Duldung verlor er seinen Job, seine Frau daraufhin fast ihr Kind. Mit Blutungen kam sie ins Krankenhaus. Die Ärzte diagnostizierten, die Komplikationen seien stressbedingt.

Der Anwalt der Familie, Georg Debler, hat nun die Duldung mit Erfolg beim Verwaltungsgericht eingeklagt. Die RichterInnen stellten nicht nur fest, dass Nenad S. die Ausreise nicht zuzumuten ist, da seine Frau „in besonders hohem Umfang auf die ununterbrochene Zuwendung ihres Ehemannes und künftigen Kindesvaters angewiesen ist“. Sondern auch, dass auf das Visumverfahren ohnehin verzichtet werden könnte. Da Nenad und Mevljuda S. verheiratet sind, könnte ihm eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, wenn eine Ausreise aus persönlichen Gründen unverhältnismäßig erscheint.

Laut Anwalt Debler liegt eine besondere Pikanterie in diesem Fall auch darin, dass offenbar sogar die Rechtsabteilung der Ausländerbehörde inzwischen Anlass zum Misstrauen gegenüber ihren Abschiebern hat. Denn die Juristen hatten gegenüber Debler und dem Verwaltungsgericht mehrfach versichert, dass zurzeit gar nicht geplant sei, Nenad S. außer Landes zu bringen – während die Abschiebeabteilung dabei war, seine zwangsweise Ausreise vorzubereiten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen