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Schachzug in letzter Sekunde

Saddam Hussein hofft, durch sein grünes Licht für UN-Waffeninspektoren den „wahren Grund“ der US-amerikanischen Kriegspläne zu entlarven: das Öl

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Saddam Hussein hat offensichtlich aus seinem größten Fehler während des letzten Golfkrieges vor 12 Jahren gelernt. Damals fragten sich viele, warum er die „Mutter aller Niederlagen“ nicht dadurch verhindert hatte, indem er seinen Truppen im Kuwait in allerletzter Minute den Rückzugsbefehl erteilte. Der Kriegsgrund wäre dahin, und der teure US-Truppenaufmarsch umsonst, und der Zusammenbruch der internationalen Anti-Saddam-Koalition wäre fast automatisch die Folge gewesen.

Diesmal hat die irakische Regierung quasi in letzter Sekunde der bedingungslosen Rückkehr der UN-Waffeninspektoren zugestimmt. Das Timing ist entscheidend. Gerade hatten die USA begonnen, an einer neuen UN-Resolution zu feilen und massive Lobbyarbeit zu betreiben, um den Einsatz von Gewalt im Irak international rechtfertigen zu lassen. Der Countdown war angelaufen.

Gleichzeitig wuchs der weltweite Druck auf Bagdad, die Inspektoren ins Land zu lassen. Zudem hatten die arabischen Bruderstaaten sich der Forderung angeschlossen. Im Hinblick auf die gefährliche Situation, hieß es beispielsweise in der saudischen Tageszeitung Al-Watan am Montag, sei es an der Zeit, dass Saddam aufhöre, in der Inspektorenfrage Katz und Maus zu spielen.

Die arabischen US-Alliierten begannen bereits, dem Druck aus Washington nachzugeben. Am Sonntag hatte der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal angedeutet, die Militärbasen des Wüstenstaates in unmittelbarer Nachbarschaft zum Irak doch zur Verfügung zu stellen, sollte die UNO einen Militärschlag gegen den Irak autorisieren. Die UN-Resolution stand ins Haus und die arabische Antikriegsfront, Saddams größter Trumpf, begann zu bröckeln.

Wenig verwunderlich ist, dass Washington und London Saddams Einlenken als taktisches Manöver abtun. Bushs Forderungen umfassen weit mehr Tagesordnungspunkte als die Rückkehr der Inspektoren. Neben Demilitarisierung und Demokratisierung verlangte Bush auch ein Ende des illegalen Ölschmuggels, des finanziellen Rückgrats des Regimes in Bagdad.

Doch andere Sicherheitsratsmitglieder haben weiterhin ausschließlich die vermuteten irakischen Massenvernichtungswaffen vor Augen und reagierten offener auf das grüne Licht Bagdads. Aus Moskau hieß es, der Krieg sei zunächst einmal verhindert. Für eine weitere Irakresolution des Sicherheitsrates bestünde derzeit kein Handlungsbedarf mehr. Auch Peking drückte seine Erleichterung über den Schritt der irakischen Regierung aus.

Erleichterung machte sich auch in den Straßen Bagdads breit. Dort herrscht das Gefühl vor, dass eine unmittelbare Kriegsgefahr zunächst gebannt ist. Nachdem viele Iraker in den letzten Wochen begonnen hatten, Nahrungsmittel zu horten, gingen bereits am Morgen nach der irakischen Zusage zur Einreise der Inspektoren die Preise für Grundnahrungsmittel nach unten.

Das offizielle Irak arbeitet unterdessen fieberhaft, die Widersprüche im UN-Sicherheitsrat weiter zu nähren. Als erste Reaktion auf die abwiegelnden Kommentare aus den USA und Großbritannien rief der stellvertretende irakische Ministerpräsident Tarik Asis gestern in Bagdad eine Pressekonferenz ein. Dort erklärte er, dass der neueste irakische Schritt die USA wahrscheinlich nicht von ihren Plänen abbringen werde. Aber das amerikanische und britische Netz aus „Propaganda und Lügen“ könnte dadurch entlarvt werden. Es gehe Washington nicht um Massenvernichtungswaffen im Irak, die alle zerstört worden seien. Die alleinige Supermacht USA wolle im Irak, ähnlich wie in Afghanistan, eine Kollaborationregierung installieren, um das Öl zu kontrollieren.

Asis warnte andere Regionen der Welt wie Europa, Asien oder Lateinamerika, dass eine US-Kontrolle der Ölressourcen in der Region langfristig deren unabhängige wirtschaftliche Entwicklung gefährden werde. Die irakische Stoßrichtung war klar: Es gehe hier um einen Kampf gegen die Vorherrschaft der USA, und der sei nicht nur im irakischen oder arabischen, sondern im weltweiten Interesse.

Die irakische Regierung wird es nun wahrscheinlich nicht allzu eilig haben, wenn es jetzt darum geht, mit den UN-Waffeninspektoren und deren schwedischen Chef, Hans Blix, die praktischen Modalitäten auszuhandeln – in welchen Hotels die Inspektoren absteigen, ob sie sich im Land mit Helikoptern bewegen können, wo sie ihre Beobachtungskameras aufbauen und dergleichen. Der Sprecher der Inspektoren, Ewen Buchanan, sagt: „An uns soll es nicht liegen. Wir werden die Sache nicht schleifen lassen.“

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