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Pläne der EU-KommissionVerderben auf Kippenschachteln

Rauchen soll unattraktiver werden. Deshalb will die EU-Kommission Menthol-Zigaretten verbieten und fordert mehr Platz für Schockfotos.

Kein schöner Anblick, so eine Raucher-Lunge. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Auf die Raucher in der Europäischen Union kommen neue Verbote zu. Am Mittwoch schlug die EU-Kommission in Brüssel vor, schlanke Slim- und wohlriechende Menthol- oder Vanillezigaretten zu verbieten. Zigarettenpackungen sollen noch drastischer vor den schädlichen Folgen des Rauchens warnen – mit Schockbildern und aufrüttelnden Texten, die drei Viertel der Vorder- und Rückseite ausmachen.

„Wir wollen Rauchen weniger attraktiv machen, vor allem für die Jungen“, begründete der neue EU-Gesundheitskommissar Toni Borg die geplanten Maßnahmen. Nach Schätzungen der Brüsseler Behörde sterben Jahr 700.000 Menschen jährlich vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums. „Jedes Jahr wird eine Großstadt wie Frankfurt oder Palermo ausgelöscht“, sagte Borg.

Die logische Konsequenz wäre eigentlich ein völliges Verbot von Tabakwaren in der EU. Doch so weit wollte Borg, der sich selbst als „toleranter Exraucher“ präsentierte, denn doch nicht gehen. Der Malteser, der auf den unter mysteriösen Umständen geschassten Landsmann John Dalli folgte, gab sich bescheidener: Mithilfe der neuen Tabakrichtlinie solle die Zahl der Raucher in der EU in fünf Jahren um 2 Prozent sinken, sagte er.

„Tabak muss wie Tabak schmecken“

Für Konsumenten von Zigarren, Zigarillos und Pfeifen ändert sich nichts. Umso härter schlägt Borg bei Tabakwaren zu, die Jugendlichen den Nikotingenuss versüßen könnten: Geschmacksstoffe wie Menthol, Vanille oder Schokolade sollen verboten werden – oder so weit eingeschränkt, dass man sie nicht mehr wahrnimmt. „Tabak muss auch wie Tabak schmecken“, so Borg.

Allerdings dürfen Zigarettenschachteln nicht mehr wie Zigarettenschachteln aussehen: Mit den geplanten Warnhinweisen und Fotos von Raucherlungen und faulen Zähnen werden sie wohl eher Lehrbüchern für Medizinstudenten ähneln. Zugleich werden die Informationen über Teergehalt, Nikotin und Kohlenmonoxid verbannt, da die EU-Kommission sie neuerdings für irreführend hält. Stattdessen erfährt der Verbraucher, dass Tabakrauch über 70 krebserregende Stoffe enthält.

Vor einer weiteren Einschränkung des Verkaufs von Zigaretten schreckte Borg zurück. Er habe den Vorschlag übernommen, wie ihn sein Amtsvorgänger Dalli ausgearbeitet habe, sagte er.

Klagen angekündigt

Dalli war über den Vorwurf gestürzt, sich auf Händel mit der Tabaklobby eingelassen zu haben. Der schwedische Hersteller Swedish Match soll versucht haben, eine Aufhebung des EU-Verbots für Kautakak zu erwirken – angeblich bot er Dalli dafür Millionenbeträge. Dalli bestritt die Vorwürfe. Sein Nachfolger Borg betonte nun, am Einfuhrverbot für schwedischen Kautabak werde nicht gerüttelt.

Die neue Richtlinie soll 2015 oder 2016 in Kraft treten. Zuvor müssen Ministerrat und Europaparlament zustimmen. Frankreich und Großbritannien fordern noch schärfere Regeln. Die Tabakhersteller kündigten Klagen vor den EU-Gerichten an.

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10 Kommentare

 / 
  • EK
    EU Kritiker

    Wenn die in Brüssel das Rauchen wegen den Schädlichen Nebenwirkungen verbieten wollen, sollen sie auch gleich alles andere wie Autofahrenund Arbeiten auch gleich mit verbieten. Wie viele Menschen kommen durch Autounfälle um oder wwerden geschädigt. Wie viele Menschen haben schäden durch Arbeiten, viele davon sogar mit Todesfolge. Die sollen sich lieber über relevante Sachen den Kopf zerbrechen, wie Schuldenbekämpfung, Arberitslosigkeit, Altersarmut etc.

  • KF
    Karl Fasbracke

    Die 3300 Passivrauchtoten stammen aus einer Studie des "Deutschen Krebsforschungszentrums". Man hat dort abgeschätzt, wie stark die Deutschen Passivrauch ausgesetzt sind und ein ALS GEGEGEN ANGENOMMENES Risiko damit hochskaliert. Über die tatsächlichen Gefahren das Passivrauchens macht dieses Studie keine Aussage. Es waren Studien wie diese, die mich letztlich davon überzeugt haben, dass beim Thema Passivrauchen ordentlich gemogelt wird.

     

    Die Tabakrichtlinie ist letztlich so angelegt, dass ein allzu schneller Rückgang der Raucherquote vermieden wird. Das nämlich würde passieren, wenn man Snus und die e-Zigarette nicht bekämpfen, sondern fördern würde. Dass hier allerlei Lästigkeiten angedacht werden ist nur Show und soll das Stimmvieh überzeugen. Weniger geraucht wird dadurch nicht.

     

    In den USA bahnen sich bereits erste Problem durch den unerwartet schnellen Rückgang der Raucherquote an. Einige Bundeststaaten haben nämlich ihre zukünftigen "Einnahmen" aus dem Master Settlement Agreement durch "tobaccon bonds" verpfändet. Diese Bonds können sie nun möglicherweise nicht mehr bedienen, weil die Einnahmen aus dem MSA unerwartet gering ausfallen.

  • TR
    Thomas R.

    @Walter

     

    "110.000 Menschen sterben jährlich allein in Deutschland an den Folgen von Tabakrauch. Darunter ca 3300 unschuldige Nichtraucher."

     

    Und welches denkbare Verfahren wäre geeignet, um auf diese Zahl von toten Passivrauchern zu kommen? Wie unterscheidet man denn, welcher Lungenkrebs vom Tabakrauch kommt und welcher vom Feinstaub?

     

    Diese Zahlen sind doch reine Propaganda, bestenfalls aus der Luft gegriffene Schätzungen, die wie Fakten vorgetragen werden.

  • M
    meinname

    Eine kluge Frau sagte vor mehreren Jahrzehnten:

    Die nächste Diktatur kommt aus den Büros.

     

    Ich hoffe, es kommt nicht dazu.

    Bin Nichtraucher.

  • B
    Bitbändiger

    Es wird höchste Zeit, der EU-Kommission, die größtenteils aus national entsorgten Wichtigtuern besteht, endlich das Handwerk zu legen. Bei allem Verständnis, dass sich die 27 Damen und Herren in ihren zumeist Mini-Ressorts langweilen und auch mal in die Zeitung oder ins Fernsehen wollen - die Sache mit den Horrorbildern ist schlicht strunzdämlich und albern, da ist ein geifernder Fundamentalist am Werk (über die methodische "Seriosität" der meisten Anti-Raucher-Studien, vor allem wenn's um die segensreiche, weil Gemeingefährlichkeit implizierende Erfindung des "Passiv-Rauchens" geht, will ich mich jetzt nicht äußern).

     

    Ich bin übrigens Nichtraucher.

     

    Noch haarsträubender ist allerdings die Meldung in ARD-"monitor" vom 13.12., wonach EU-Kommissar Barnier über eine neue "Richtlinie" die europaweite Privatisierung der Wasserversorgung anschieben will. Merkwürdigerweise findet dieser Bericht bislang keine Resonanz in der Medienlandschaft, wiewohl er eigentlich einen Aufstand wert wäre.

  • W
    Walter

    110.000 Menschen sterben jährlich allein in Deutschland an den Folgen von Tabakrauch. Darunter ca 3300 unschuldige Nichtraucher. (Kinder mit Entwicklungsschäden sind gar nicht erfasst)

    Das sind soviele, als würde täglich ein vollbesetzter Jumbo Jet abstürten. Wäre dies der Fall, wäre fliegen auch verboten. Nur rauchen bleibt erlaubt. Das ist unlogisch.

    Nocheinmal rund 110.000 Raucher jährlich in D. werden invaliede wie Gaby Köster zB. die Trotz ihres Schicksalsschlages munter weiterqualmt. Jaja und Helmut Schmidt.. der schon mehrere Bypässe hat (das vergessen die Raucher gerne)

    6 Mio Menschen sterben weltweit an Tabak und das jedes Jahr. Damit ist Tabak die größte Massenvernichtungswaffe die es jemals gab und kostete mehr Menschen das Leben, als alle weltweiten Kriege jemals zusammen.

    Wie im Bericht steht.. jedes Jahr (allein von den EU Opfern) eine komplette Großstadt ausgelöscht.

    Man stelle sich das mal vor... Nutella vergiftet jährlioch 110.000 Menschen in Deutschland zu tode und EU weit 700.000 ???? Marlboro und co dürfen das.

    Es würde 2020 keine Großstädte mehr geben...

  • A
    Arne

    Schockierende Bilder auf Zigarettenschachteln?

    Ja, das könnte wirken. Ich werde es mir dann zehnmal überlegen, ob ich aufhöre, wenn auf jeder Schachtel ein EU-Politiker abgebildet ist mit der Frage "Wollen sie so etwas mit ihren Tabaksteuern unterstützen?"

    Von der schockierenden Wirkung der Gesichter an sich mal abgesehen, würde mich das mehr zum Nachdenken bringen als wenn ich irgendwelche Bilder sehe, die ich mir aus beruflichen Gründen im Psychrembel sowieso ab und an mal anschauen muss.

  • T
    tazitus

    Meldung am Tag nach dem 94ten von Helmut Schmidt:

    "Zigaretten ohne Menthol!" Das bringt ihn um.

  • F
    Flotze

    Wie Name ist mir auch völlig schleierhaft was die Tabakindustrie verbrochen hat. Für die Tabaklobby könnte das ein gefundenes Fressen sein. Wenn man die Tabakindustrie schon so behandelt, wieso nicht die Nahrungsmittel- und Alkoholindustrie. Statt die Hersteller dazu zu zwingen "Alkohol tötet" auf Flaschen zu schreiben, kann diese Industrie noch ungestraft "bewusst genießen" auf ihre Verpackungen drucken. Einem Rechtstaat werden solche Entscheidungen, die eher aus Bauchgefühl und Trends heraus getroffen werden nicht gerecht.

  • N
    Name

    Interessant das wieder die Raucher ausgekramt werden, mich würde interessieren wieso sowas niemand auf Bier/Wein/Whiskey/Scotchflaschen schreiben möchte. Anscheinend ist Werbung mit jungen hippen leuten die dem "Karibikfeeling" nachgehen ok.

     

    Wobei es anscheinend hilft, da ich auch schon aufgehört habe zu rauchen.