Ohne Waffen versammeln

Im Grundgesetz heißt es in Artikel 8 zur Versammlungsfreiheit, Absatz 1: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Und weiter im Absatz 2: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“

Seit im Januar 2000 einige hundert NPD-Leute durchs Brandenburger Tor marschierten und damit auf die Titelseiten der Weltpresse kamen, wird von diversen Seiten gefordert, das Demonstrationsrecht zu verschärfen.

Im Auftrag von Bundesinnenminister Otto Schily begutachtete der Verfassungsexperte Dieter Grimm im Sommer 2001 die Frage, inwieweit Einschränkungen des Versammlungsrechts mit Artikel 8 des Grundgesetzes vereinbar sind.

Dieter Grimm, geboren 1937 in Kassel, ist Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität und Rektor des Wissenschaftskollegs in Berlin. Von 1987 bis 1999 war er Richter am Bundesverfassungsgericht und prägte die Rechtsprechung in Sachen Meinungsfreiheit, für die er im Ersten Senat zuständig war.

Grimm zeichnet zum Beispiel verantwortlich für die seinerzeit als „extrem liberal“ gescholtene Judikatur zu der Frage, ob Pazifisten ungestraft sagen dürfen: „Soldaten sind Mörder.“ Der Staatsrechtler veröffentlichte neben zahlreichen geschichtlichen und theoretischen Studien zuletzt den Sammelband „Die Verfassung und die Politik. Einsprüche in Störfällen“ (2001).

Anfang Juni 2002 nahm die Konferenz der Innenminister das Gutachten von Dieter Grimm „zur Kenntnis“ – hält es aber bis heute unter Verschluss: Weil mit dem Gutachten die diskutierten Verschärfungen nicht zu rechtfertigen sind, wie politische Beobachter vermuten.

Innenminister Otto Schily hat Anfang Juni 2002 angekündigt, er wolle „unter Berücksichtigung der im Gutachten von Professor Grimm aufgezeigten Grenzen für den Gesetzgeber alsbald einen Entwurf zur Änderung des Versammlungsrechts vorlegen“.

Eine Reihe unionsgeführter Bundesländer gab der Innenministerkonferenz zu Protokoll, man behalte sich vor, „einen eigenen Gesetzentwurf“ vorzulegen. Die Verschärfung des Versammlungsrechts bleibt also auf der politischen Tagesordnung. HM