„Wie viel Geld braucht der Mensch?“

Gegenfrage: „ Wie viel Freizeit braucht er?“ Für alle, deren Prioritätenpendel in Richtung „mabklappehr Geld“ ausschlägt, wird schnell klar: Ein Nebenjob muss her! Eine Reportage über die Möglichkeiten, was dazu zu verdienen

Die Alternative Eltern oder Nebenjob als Geldquelle ist zu vergleichen mit der von Wind- und Atomenergie: Die Eltern stellen eine stetige und jugendlichenfreundliche, allerdings mit Geduld zu behandelnde Ressource dar. Der („Atom-“) Nebenjob bringt in kurzer Zeit viel, verstrahlt dafür aber die selbstbestimmte Freizeit.

Die Selbstbestimmung der Freizeit stößt umgekehrt allzu häufig an ihre finanziellen Grenzen. Auf die Ferien wartet man zwar immer sehnsüchtigst, aber auf der Zeit alleine kann man noch lange nicht snowboarden. Auch das (Party-) Wochenende lässt sich eindeutig unbeschwerter genießen, wenn man nicht für jedes Bier zum Türken an der Ecke laufen muss. Also muss doch `n Nebenjob her!

Aber welcher? Einen der Anfangsklassiker: Babysitten oder Zeitungsaustragen? Süße, am besten schlafende Kinder, ein gefüllter Kühlschrank und ein angemessenes Unterhaltungsangebot, sprich: Videos, Fernseher etc. Das kommt dem Traum „das Geld liegt auf der Straße“ verlockend nahe.

ACHTUNG: Das ganze sieht mindestens 100 Töne schwärzer aus, wenn man nervige, schlecht bis gar nicht erzogene und vor allem (rette sich wer kann) WACHE Kinder bändigen soll! Wenn die Wonneproppen nur noch kreischen und heulen, gilt: Hier liegt nicht das Geld, sondern die Nerven des Nebenjobbers auf der Straße!

Auszutragende Zeitungen sind da ruhigere Zeitgenossen. Man ist auf seinen Touren relativ frei und muss sich während der Arbeit nicht den Launen von Anderen unterwerfen. Außerdem ist man an der frischen Luft. Leider gibt‘s aber auch einen Nachteil: REGEN! -Schwupps, verschwindet der Spaß an der grenzenlosen Freiheit der Großstadtprärie.

Besonders interessant sind diese Jobs für Jüngere ab ca. 14 Jahren, denn viele andere Arbeitgeber suchen nur Schüler ab 18.

Zum Beispiel beim Kellnern. Einige Cafés nehmen zwar auch 16 oder 17-Jährige, doch dadurch brechen sie die Jugendschutzgesetze: Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keinen Alkohol ausschenken, nicht nach 20 Uhr oder länger als acht Stunden am Stück arbeiten. Findet ihr trotz Minderjährigkeit `nen Job als Kellner müsst ihr euch aber keine Sorgen machen: Wenn‘s rauskommt seid nicht ihr, sondern eure Chefs dran!

Kellnern ist eine der besten Möglichkeiten, an relativ viel Geld zu kommen. Der Grundlohn ist zwar eher niedrig (oft ca. 6 Euro), doch das Trinkgeld lockt. Aus sechs können so schnell zehn Euro pro Stunde werden. Die Stressresistenz wird allerdings oft hart geprüft, dennman darf nicht denken, die Gäste seien eine zufällig aufeinandertreffende Ansammlung von Durstigen. NEIN! Die Organisation ist besser als die der Mafia! Sie verabreden sich über geheime Codes im Internet und stürmen grundsätzlich alle zusammen den Laden, um das ganze Servicesystem lahm zu legen.

Wem dabei das freundliche Lächeln vergeht, sollte sich lieber nach einem entspannteren Arbeitsplatz umsehen. Zum Beispiel als Klamottenverkäufer in kleinen Läden oder als Aushilfe in einem Sonnenstudio. Hierbei geht es oft mehr um die Präsenz als um wirklich intensives Arbeiten, so wie bei Jasmin (19), die in einem Sonnenstudio arbeitet: „Ich mach` da eigentlich fast gar nichts außer meinen Hausaufgaben. Ab und zu zeig ich auch noch, wo der Turbobräuner steht“.

An seinen Traumjob kann man durch das berühmte „Vitamin B“ gelangen, sprich: fragen, ob nicht die Bekannte der besten Freundin seiner Mutter noch Unterstützung in ihrem Öko-Laden braucht. Wenn nun allerdings besagte Bekannte von Mamas Freundin gar keinen Bioladen hat, ist das auch noch kein Weltuntergang. Nicht nur ihr braucht einen Job, sondern die Jobs brauchen auch euch. Viele Arbeitgeber könnten ohne Schüler und Studenten gar nicht konkurrenzfähig bleiben, denn ein Erwachsener würde für 7 Euro in der Stunde wahrscheinlich gar nicht erst vom Sofa aufstehen.

In der Zeitung ist sicherlich immer mal wieder Vernünftiges zu finden, steht aber auch viel unseriöser Müll drin. Gerade, wenn extreme Summen („Bis zu 3000 Euro als Samenspender!“) versprochen werden oder „Bardamen für neuen Club in Delmenhorst“ gesucht werden („Zimmer kann gestellt werden“), dann wird man kaum den gewünschten Job erwarten können. Johannes hat eine Zeit lang bei einem Call-Center fast 25 Euro pro Stunde verdient. Warum er bei dem hohen Lohn da aufgehört hat? „Ich musste. Die Agentur wurde aufgelöst, weil es Ärger mit der Polizei gab.“ Seriöser geht es bei der JOB-Vermittlung vom Arbeitsamt zu (Tel: 178-2113). Man gibt die gewünschten Jobs an und wird benachrichtigt, wenn Aushilfen in diesem Bereich gesucht werden. Aus Unfähigkeit, die offenen Stellen auf die Jugendschutzbestimmungen hin zu überprüfen, werden aber nur Volljährige vermittelt Die größte Aussicht auf einen Job hat man, wenn man sich einen Nachmittag Zeit nimmt und mit der Einstellung „Ihr braucht mich ja sowieso“ die Läden der Umgebung abklappert. So findet man fast immer was.

Eine schriftliche Bewerbung wird nur für die goldene Königsdisziplin in Sachen Schuften benötigt: Schichtarbeit bei Daimler Chrysler. Es gibt ein paar ganz harte, die ihre Sommerferien am Band verbringen, die Mehrheit wagt sich erst nach ihrem ABI: „Ich dachte, ich würde die Leute aus der Schule erstmal nicht mehr sehen, aber am Band hab` ich meinen halben Jahrgang wiedergetroffen“, erzählt Miriam. Sie hat zwei Monate lang 38,5 Stunden in der Woche gearbeitet, um nach Kuba und Guatemala zu reisen. Insgesamt ist sie so auf 4000 Euro gekommen. Allerdings sieht man ihr die Erholung in der Sonne der Neonröhren auch wirklich an: Blasses Gesicht, Augenringe, der Stress des immer weiter laufenden Bandes zeigt seine Wirkung: „Das ist eine ganz andere Welt, von der ich in der Schule nie etwas geahnt hatte. Nach einer gewissen Zeit hatte ich mich aber daran gewöhnt.“

Etwas erschreckt darüber, wie sehr man sich an die Arbeit dort gewöhnen kann, hat sie dann aber doch ein Kollege: „Am Anfang wollte ich eigentlich auch nur drei Monate bleiben; jetzt bin ich schon zwanzig Jahre hier!“

Melike Wulfgramm