: CDU droht Rute an Nikolaus
Landesverfassungsgericht will am 6. Dezember urteilen, ob die Wahl zum Abgeordnetenhaus gültig ist. Sonst stehen Neuwahl oder Mandatsverlust an
Eigentlich ist die Sache einfach. Eine Partei – die CDU – benennt in Steglitz-Zehlendorf Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2001, kippt ihren Beschluss wieder und reicht zum letztmöglichen Termin eine neue Liste bei der Wahlleitung ein. Zwei ausgebootete Exabgeordnete aber sehen Verstöße gegen die Wahlordnung und halten die Parlamentswahl für ungültig. Ein Fall für den Verfassungsgerichtshof. „Wir haben uns zugebenermaßen über die Formalien hinweggesetzt“, sagte Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás am Rande der über dreistündigen Verhandlung der taz. So lautet die zentrale Frage, die das Gericht gestern in mündlicher Verhandlung stellte: Wiegen die Formalien so schwer, dass Neuwahlen nötig sind?
3,7 Millionen Euro würde der erneute Urnengang kosten, der binnen 90 Tagen nach dem Urteil erfolgen müsste. Es wäre die dritte Wahl zum Abgeordnetenhaus seit Oktober 1999. Rund 300.000 Euro wären fällig, wenn nur in Steglitz-Zehlendorf erneut gewählt würde. Möglicherweise packt das Gericht an Nikolaus, dem Tag der Urteilsverkündung, allein für die Union die Rute. aus. Statt Neuwahlen durchzuführen, so blieb gestern unwidersprochen, könnten auch alle fünf CDU-Mandate im Bezirk wegfallen. Davon wäre Christoph Stölzl betroffen, der CDU-Landeschef und Vizepräsident des Abgeordnetenhauses.
Die Entscheidung darüber liegt bei der siebenköpfigen Kammer unter Vorsitz von Ulrich Storost. Vier Männer und drei Frauen in schwarzen Roben mit dunkellila Besatz, die sich am gestrigen Montagmorgen in die internen Querelen der seit Jahren zerstrittenen Südwest-CDU einführen ließen. Denn hinter der gekippten und erneuerten Liste stehen Flügelkämpfe im Kreisverband und dort vor allem in Berlins größtem Ortsverband, Dahlem. Marcus Mierendorff, einer der beiden Kläger, war dort über Jahre Chef. Jetzt sitzt sein Nachfolger im Parlament, Mierendorff ist raus.
Doch nicht er oder die Gegenseite, Wahlleiter von Puskás gerät an diesem Vormittag unter Druck. Mehr formelle Klarheit hätte er von der CDU fordern sollen, hält ihm Mierendorffs Anwalt vor. Immer zentraler wird in der Verhandlung eine laut Wahlordnung vorgesehene „Vertrauensperson“. Gemäß den Formalia kann nur sie eine Kandidatenliste zurückziehen oder erneuern. Einer der Richter hält von Puskás vor, dass er deren Rolle zu wenig Bedeutung beimaß.
Von Puskás ist ein ergrauter Mann mit buschigen dunklen Brauen, der sich zu Unrecht auf die Anklagebank geschoben fühlt. Wenn man sich von den Formalien löste, dann doch wegen klarer Mehrheiten bei der Nominierung der neuen CDU-Kandidaten. Für ihn ist die Wahl gültig: „Von einem offensichtlichen Verstoß gegen demokratische Grundsätze kann hier nicht die Rede sein.“ STEFAN ALBERTI
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