: Ein böses Erwachen
Auch die NRW-FDP stellt sich gegen ihren langjährigen Chef – über die Spenden hatte man sich immer gefreut
KÖLN taz ■ Täglich neue Enthüllungen, doch auf die erhellende Erklärung Jürgen Möllemanns wartete die FDP auch gestern vergebens. So musste der nordrhein-westfälische Landesvorstand der Liberalen am Montag ohne dessen Auskünfte über die politische Zukunft seines langjährigen unumschränkten Chefs entscheiden: Für Möllemann ist kein Platz mehr in der FDP.
Denn der einstige Strahlemann der Partei lässt sowohl Vergangenheit als auch Zukunft der NRW-FDP immer finsterer erscheinen. So wurde jetzt bekannt, dass bei der Landespartei wichtige Akten aus dem Landtagswahlkampf 2000 fehlen. Wie die frühere NRW-FDP-Schatzmeisterin Irmgard Schwaetzer der taz bestätigte, soll es sich dabei um Dokumente handeln, mit denen Finanzströme nachvollzogen werden könnten. Das habe sie aus Gesprächen mit der FDP-Bundesschatzmeisterei erfahren. Sie fühle sich „grob getäuscht“. Es sei aus ihrer Sicht „nicht nachvollziehbar, wann und durch wen das geschehen ist“.
Besonders brisant wird der sonderbare Aktenschwund, weil zunehmend die Finanzierung des aufwändigen Landtagswahlkampfs 2000 der bis dahin außerparlamentarischen FDP auch ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft gerät. Immer noch in Vorermittlungen, wartet sie zurzeit auf die Ergebnisse des Sonderprüfberichts, den Rexrodt heute an Bundestagspräsident Thierse übergeben will.
Daraus soll hervorgehen, dass der Landesverband allein in den Jahren 1999 und 2000 unter Missachtung des Parteiengesetzes Schwarzgelder in Höhe von gut 600.000 Euro als offizielle Parteispenden akzeptiert und genutzt hat. Allein wegen dieser Verstöße drohen der FDP Strafzahlungen in Höhe von bis zu 1,8 Millionen Euro. Irmgard Schwaetzer war vom Frühjahr 2000 bis Frühjahr 2002 Landesschatzmeisterin der NRW-FDP. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, dem kürzlich als Landesgeschäftsführer fristlos entlassenen Hans-Joachim Kuhl, als auch ihrem Nachfolger Andreas Reichel gehörte sie nicht zum Vertrautenkreis Möllemanns. So habe sie auch nichts von den damaligen Machenschaften wissen können, beteuert sie. Allerdings räumt Schwaetzer ein, während ihrer Amtszeit nicht kritisch genug nachgefragt zu haben – wie auch sonst niemand im Landesvorstand. „Auf jeder Landesvorstandssitzung wurde kontinuierlich über das Spendenaufkommen berichtet und alle haben sich gefreut“, so Schwaetzer.
PASCAL BEUCKER
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