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Raucher sind noch zu cool

Suchtprävention durch umfassendes Werbeverbot: Kinos, Plakatwände, Aschenbecher – alles soll rauchfrei werden, fordert eine Berliner Studie über die Wirkung von Tabakwerbung auf Jugendliche

von ANNE HAEMING

Zigaretten sind zurzeit in aller Munde – aber wird auch inhaliert, oder ist alles nur heiße Luft? Nach dem EU-Beschluss zum Verbot von Tabakwerbung in der Presse am Montag und dem einsamen, kategorischen Nein der Bundesregierung senkte sich eine dichte Rauchwolke aus Diskussionen über Deutschland. Die Tabakindustrie und die Werbewirtschaft auf der einen Seite, die Verbraucherschützer und Gesundheitsverbände auf der anderen liefern sich seither eine Argumentationsschlacht rund um die fragwürdige Haltung von Rot-Grün. Ist es wieder einmal Zeit für einen „deutschen Weg“?

Kein Zeitpunkt könnte günstiger sein, um eine Studie vorzustellen, die die Wirkung von Zigarettenwerbung auf Jugendliche untersucht. Gestern präsentierte die Berliner Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Heidi Knake-Werner (PDS), die Ergebnisse der vierjährigen Analyse „Tabakwerbung für Jugendliche“. Besonders prekär: Die Berliner Studie ist nicht nur im Einklang mit dem jüngsten EU-Beschluss – sie geht sogar noch weiter. „Die Studie ist ein Argument für ein umfassendes Werbeverbot“, so die Senatorin. Das schließe auch Werbung in Kinos und im öffentlichen Raum ein, genauso wie Merchandising-Produkte wie Camel-Boots. Sie könne nicht verstehen, warum Deutschland wieder eine derart „unrühmliche Rolle“ spielen müsse, betonte Knake-Werner. Ihrer Meinung nach ist es vor allem die Werbeindustrie, die mit gezielten Kampagnen immer stärker jüngere Menschen anspreche; in Berlin seien die meisten Erstraucher erst 13. Ohne eine umfassende Werbesperre für Glimmstängel sei eine grundlegende Präventionspolitik undenkbar.

Um ein solch weitreichendes Verbot zu erreichen, plant sie, demnächst einen entsprechenden Vorschlag in den Bundesrat einzubringen. Denn bislang beruht die Kontrolle der Werbekampagnen in erster Linie auf der freiwilligen Selbstbeschränkung der Tabakindustrie. Bereits 1966 haben die deutschen Zigarettenfirmen entsprechende Richtlinien aufgestellt: keine Modelle, die jünger als 30 Jahre wirken, keine sportbezogene Werbung und keine suggestiven Aussagen, nach ein, zwei Zügen fühle man sich besser. Wie löchrig diese selbst gezogenen Grenzen sind, versucht Autor Johannes Spatz vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf mit seiner Studie zu beweisen. Er sammelte Plakate mit vielen jungen Werbeträgern, die zusammen zelten und schäkern, sich lasziv räkeln und dabei in aller Ruhe an der Kippe ziehen, und zeigte sie rund 600 Jugendlichen. Die Frage: Wie alt sind die Modelle? Das Ergebnis: Mehr als 80 Prozent schätzten die abgebildeten Schönen, Erfolgreichen, Coolen auf unter 30. Das seien allein für den Zeitraum Mai bis November dieses Jahres 37 Verstöße gegen die freiwillige Selbstbeschränkung, sagte Spatz.

Problematisch an der Studie ist in erster Linie, dass sie aus wissenschaftlicher Sicht nicht repräsentativ ist, so eindeutig die Zahlen auch sein mögen. Es ist außerdem fraglich, wie groß der Einfluss der Tabakwerbung auf potenzielle Erstanzünder wirklich ist: Wie viele Zigaretten weniger verkauft und wie viele Raucher bei einem kompletten Werbeverbot weniger sterben würden, ist umstritten. Aber damit der deutsche Kippenkonsum zurückgeht, muss vielleicht nicht die gesellschaftliche Norm geändert oder Zigarettenwerbung großflächig aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen schlägt vor, die Raucher an ihrer sensibelsten Stelle zu packen: „Herr Müntefering redet doch die ganze Zeit von Steuererhöhungen, die für Tabak zu erhöhen, wäre endlich mal eine sinnvolle Idee.“

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