: Arbeit ohne Bildung
Weiterbildungsträger bilden bald keine Arbeitslosen mehr weiter, sondern gehen selbst zum Arbeitsamt: Hartz-Konzept sieht in Bildung keine Priorität
von SANDRA WILSDORF
Die Landschaft der Hamburger Weiterbildungsträger steht vor dem Kahlschlag. Ihr Arbeitskreis Betriebsräte geht davon aus, dass von 2500 festen Stellen bei Hamburger Weiterbildungsunternehmen etwa 1000 gefährdet sind, Gleiches gilt für die freien Mitarbeiter. Bei einer Versammlung im Besenbinderhof, zu der die Betriebsräte und ver.di geladen hatten, konnte ihnen Karl-Heinz Kleemannm vom Hamburger Arbeitsamt diese Sorgen keineswegs nehmen.
Das Arbeitsamt kürzt 2003 den Etat für berufliche Weiterbildung um 20 Prozent. Von den verbleibenden knapp 93 Millionen ist allerdings die Hälfte schon verplant – für Maßnahmen, die schon 2002 begonnen haben. Und wer ist Schuld? Die Bundesanstalt für Arbeit erhält vom Bund künftig keinen Zuschuss mehr. Der so genannte „Eingliederungstitel“, aus dem Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bezahlt werden, wurde erheblich gekürzt. Außerdem muss er neben Weiterbildung künftig auch für die steuerfinanzierten Strukturanpassungsmaßnahmen und das Jugendsofortprogramm herhalten. Und auch die Hartzschen „Personal Service-Agenturen“ sollen aus diesen Topf bezahlt werden.
„Nachdem wir alles runtergerechnet haben, blieb für Weiterbildung schlicht nicht mehr übrig“, sagt Kleemann. Nach neuesten Erhebungen – die allerdings zu Zeiten der Konjunkturkrise erhoben wurden – läge die Eingliederungquote nach einer Weiterbildung nur bei etwa 44 Prozent. Zwar sei Bildung immer eine gute Investition in die Zukunft, aber nur dann Aufgabe des Arbeitsamtes, wenn sie zum Ziel führe. Und das heiße: „Integration in Arbeit“.
Der Druck auf die Träger wird sich zusätzlich noch dadurch verschärfen, dass Arbeitslose künftig Bildungsgutscheine erhalten, die sie einlösen können, wo sie wollen. Das erschwert den Anbietern die Planung, und ist für Hamburg auch deshalb schlecht, weil die neuerdings einheitlichen Richtwerte unter norddeutschem Niveau liegen. „Bildungsgutscheine sind meines Erachtens die Aufforderung an unseriöse Bildungsträger und unseriöse Methoden“, sagt Roland Kohsiek von ver.di.
Auch auf Arbeitslose wächst der Druck: Haben 2002 noch 10.000 Arbeitslose eine Weiterbildung begonnen, sind es bald wohl weniger als die Hälfte. Und: Es sollen nur noch Maßnahmen gefördert werden, die hinterher mindestens 70 Prozent der Teilnehmer in Arbeit bringen. „Kurse, bei denen wir wegen des Teilnehmerkreises über 40 Prozent froh gewesen wären, können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten“, sagt Kleemann.
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