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AWACS-FLUGZEUGE: DER BUNDESKANZLER VERLIERT JEDE GLAUBWÜRDIGKEITDas System Schröder am Ende

Die Opposition darf sich freuen. Kaum hat sich die Aufregung um den so genannten Wahlbetrug bei Haushalt oder Rente ein wenig gelegt, da steht schon die Debatte um das nächste Wahlversprechen auf der Tagesordnung: Bricht Kanzler Schröder mit seiner Ankündigung, deutsche Soldaten auch im Falle eines Irakkriegs an Bord der Awacs-Flugzeuge zu belassen, sein wahlentscheidendes Wort – oder bricht er es nicht?

Im Gegensatz zum Verteidigungsminister, der beim Einsatz der Spürpanzer in Kuwait längst wortbrüchig wurde, hat es der Kanzler wohlweislich vermieden, sich allzu konkret festzulegen. An einer Intervention werde sich Deutschland „nicht beteiligen“ – über diese schwammige Formulierung gingen Schröders Ankündigungen in der Sache nie hinaus, auch wenn das lautstarke Wortgeklingel gegen amerikanische „Abenteuer“ dem Wahlvolk einen anderen Eindruck vermittelte.

Was aber ist eine „Beteiligung“? In dem engen Sinne, wie Schröder das Wort neuerdings definieren will, hat sich die Bundesrepublik auch an früheren Interventionen nicht wirklich „beteiligt“. Auch im Falle Kosovo oder Afghanistan beschränkte sich der deutsche Beitrag, sieht man von den KSK-Soldaten einmal ab, auf die Unterstützung der Verbündeten außerhalb des eigentlichen Operationsgebietes. Erst danach kam die Friedenstruppe. Die Wähler haben die Botschaft anders verstanden, und das sollten sie.

Für Schröder war die Irakfrage nur eines jener zahlreichen Themen, die er im geeigneten Moment aufgriff, um sie bei nächster Gelegenheit wieder fallen zu lassen. Damit hat er in der Innenpolitik zu oft Erfolg gehabt, als dass er die Grenzen dieses Systems noch erkennen könnte. Aber mit der Übertragung dieses Prinzips auf die Außenpolitik ist Schröder einen Schritt zu weit gegangen. Jetzt hat er es mit allen verdorben: Er hat die Wähler brüskiert, das Verhältnis zu den USA ruiniert und sich in Europa isoliert.

Aber auch innenpolitisch schwindet nach vier Schröder-Jahren sogar in den eigenen Reihen der Glaube an verlässliche Grundlinien der Politik. Das hat sich zuletzt auch bei der Vermögensteuer gezeigt, wo der Kanzler die eigenen Ministerpräsidenten erst vorschickte, um sie anschließend öffentlich abzukanzeln. Und der nächste Test steht am kommenden Mittwoch bevor, falls die Verfassungsrichter das Zuwanderungsgesetz tatsächlich zu Fall bringen. Dann wird sich erweisen, ob Schröder ein wirkliches Interesse an einem Thema hat, das er vor drei Jahren unter dem Stichwort „Green Card“ selbst in die Debatte warf. RALPH BOLLMANN

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