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Ausdrücklich unerwünscht

SAGA will nicht an Wohnungslose vermieten und schreibt einen Brief, den sie anschließend zurücknimmt. Caritas ist empört und belegt mit Zahlen: Immer weniger Obdachlose finden ein neues Zuhause bei den städtischen Wohnungsgesellschaften

von SANDRA WILSDORF

„Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass es uns zurzeit nicht möglich ist, Ihren betreuten Personenkreis mit Wohnraum zu versorgen. Wir bitten daher um Ihr Verständnis.“ Wer da bittet, ist die SAGA, Geschäftsstelle Billstedt. Und wen sie nicht in ihren Wohnungen haben will, das sind Obdachlose. Das Zitat stammt aus einem Brief, welcher der taz vorliegt, den ein SAGA-Mitarbeiter an die Soziale Beratungsstelle der Caritas in Bergedorf schrieb.

Seit Jahren klagen Mitarbeiter von Sozialberatungen und Wohnungslosenhilfen darüber, dass selbst bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und SAGA die Bereitschaft immer weiter zurückgehe, an ehemals Obdachlose zu vermieten. Die dementieren das regelmäßig, Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) kündigt ebenso regelmäßig Gespräche an – zuletzt im August, als ihre Behörde eine Studie zur Situation Obdachloser vorstellte. „Wenn es schon am Wohnraum scheitert, ist an Arbeit gar nicht zu denken“, sagt Timo Spiewak, Sprecher der Caritas.

SAGA/GWG-Pressesprecher Adrian Teetz ist die ganze Sache unangenehm: „Wir haben das Schreiben zurückgenommen“, sagt er und erklärt, dass „da falsche Textelemente aneinander gesetzt wurden.“ Ein Missverständnis, man wolle jetzt mal mit der Caritas sprechen. Die ist froh, denn ein solches Gespräch wünscht sie sich seit Monaten.

Doch auch ohne Brief sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Dass die Haltung in obigem Brief kein Einzelfall ist, dokumentiert eine Statistik, welche die Caritas bei sieben Beratungsstellen für Menschen mit Wohnungsproblemen erstellt hat. 1998 konnte die Stelle in Billstedt noch 45 Menschen in Wohnungen vermitteln, 40 von ihnen zogen in eine GWG- oder SAGA-Wohnung. Seitdem wird zwar immer mehr vermittelt, aber immer weniger an die städtischen Gesellschaften: 2001 fanden 63 Menschen mit Hilfe der Beratungsstelle ein Zuhause, nur fünf von ihnen bei GWG oder SAGA. Ähnlich sieht es für ganz Hamburg aus: Vor vier Jahren wurden 469 Menschen vermittelt, 186 davon an GWG/SAGA, im Vorjahr war das Verhältnis 304 zu 60.

Teetz will solche Zahlen nicht kommentieren: Es gehe nicht um Quoten, Vermietungen seien immer Einzelprozesse. Auch bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften gelte das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Passt jemand in die Nachbarschaft? Kann jemand die Miete zahlen? Wie dringend braucht jemand eine Wohnung?

Nach diesen Kriterien entscheiden SAGA und GWG. Doch auf einem zunehmend engeren Wohnungsmarkt zählt das dritte Kriterium offenbar immer weniger. „Bei Neuvermietungen vermieten wir zu 20 Prozent an Sozialhilfeempfänger und zu 20 Prozent an ausländische Mitbürger“, behauptet Teetz, weiß jedoch nicht, wie groß die Schnittmenge ist. Er versichert: „Wir erfüllen unseren Auftrag, auch die auf dem Markt Benachteiligten unterzubringen.“

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