Das Leben, eine Seifenoper

Fernsehgeschichte II: Zehn Jahre nach dem Start der ersten Daily Soap nähert sich das Filmmuseum Potsdam so amüsant wie kulturwissenschaftlich einem TV-Phänomen

Soap 1954: „Alles Peinliche auf dem Bildschirm muss vermieden werden“

POTSDAM taz ■ „Während Personen, die allgemein viel fernsehen, weniger glücklich sind, sind die, die viele Daily Soaps sehen, glücklicher als der Durchschnitt“, ist da als Motto gleich am Beginn an die Wand gesprüht. Angesichts solch kühner Thesen zusammenzubrechen nützt nichts: Unter dem Slogan steht eine Original-„GZSZ“-Bank vom Babelsberger Studioeingang, in deren Holz sich unzählige Fans verewigt haben. Man entkommt ihnen nicht – die Daily Soaps haben das Fernsehen erobert.

Und auch das Potsdamer Filmmuseum, sonst eher Ort der Erinnerung an den Beginn hochkulturellen deutschen Filmschaffens in ebenjener Babelsberger Traumfabrik. (Und in der es, das nur ganz nebenbei, heute ohne die Soaps noch düsterer aussähe). Es steht ihm gut zu Gesicht – und ist erfrischend bunt und wenigstens etwas schrill in dem ganzen Schwarzweißgedröhne namens 50 Jahre Deutsches Fernsehen, das derzeit allüberall von den Antennenspitzen tröpfelt. Denn wirklich schrill sind sie kaum, die eher sauberen Strukturkonservatismus und hippen Hedonismus versprühenden TV-Operetten à la „Marienhof“, „Verbotene Liebe“ oder eben „GZSZ“. Aber dafür kann ja das Potsdamer Filmmuseum nichts.

Im Gegenteil: Die Ausstellung zeigt auf, wes Geistes Kinder da unterwegs ins Abenteuer Leben sind: die der Familienserien der Fernsehfrühgeschichte nämlich. Und die begann natürlich wieder in Schwarzweiß. „Unsere Nachbarn heute abend: Familie Schölermann“ lief mit insgesamt 111 Folgen von 1954 bis 1960. Es sollte rund 20 Jahre dauern, bis die „Lindenstraße“ diese Weekly Soap mit Unterbrechunge – überholen sollte. Bei der fernsehtauglichen Präsentation dieser schrecklich netten Familie musste nun, so eine zeitgenössische Sender-Anweisung, „Regeln der Sitte, des Anstandes und der Moral besonders beachtet werden, so dass alles Peinliche auf dem Bildschirm vermieden wird“. Was dabei herauskam, wirkt heute dafür umso lustiger und kam damals bei den ZuschauerInenn so gut an, dass die sauberen Schölermanns plötzlich zur realen Größe wurden: Der Sender verschwieg als Werbegag anfangs sogar die Namen der Darsteller, und als das Schölermann-Töchterchen Eva eines Abends ein teures Kleid im öffentlichen Personennahverkehr liegen ließ, „bangte die TV-Gemeinde bis in den späten Abend mit. Die Ansagerin musste die besorgten Zuschauer vor Sendeschluss informieren, dass sich die ehrlichen Finder telefonisch bei den Schölermanns gemeldet hätten“, berichtet die Chronik.

Allein dass man alte Folgen der „Schölermanns“ und der „Familie Hesselbach“, aber auch der entsprechenden DDR-Pendants wie „Neumann 2 x klingeln“ sehen kann, macht die Austellung zum Ereignis.

Dass die Angebote des untergegangenen DDR-Fernsehens gleichberechtigt neben der Westware stehen, ist übrigens auch ein Pluspunkt in der ansonsten deutlich BRD-zentrierten TV-Geschichts-Aufarbeitung zum 50. Geburtstag.

Die liebevolle Präsentation der Soap-Entwicklung vom Frisörsalon (schließlich liefen die ersten Soaps im Radio, und die Trockenhauben fungieren als Kopfhörer) bis zur Bar (wo der Reinigungsmittelriese Procter and Gamble sogar Gratisdrinks spendiert) lässt einem den „eigentlichen“ Daily Soap-Alltag anschließend locker-lehrreich und viel zu schnell vergehen. Dass Procter and Gamble mittut, ist hübsch: Schließlich soll der Seifenkonzern den Begriff Soap Opera dereinst erfunden haben. Die Daily Soaps laufen bis heute in der Zeitschiene, die bei der ARD ja auch ganz ungeniert „Werberahmenprogramm“ heißt. STEFFEN GRIMBERG

„Daily Soap – Der Weg zum Glück“ läuft bis zum 23. Februar 2003 im Filmmuseum Potsdam, Marstall am Lustgarten, täglich 10 bis 18 Uhr, Informationen im Internet unter www.filmmuseum-potsdam.de